Haut aus Seide
Dankbarkeit.
Doch das war nur der Auftakt, Andrew kam erst richtig in Fahrt.
Lela fläzte sich in ihren Sitz und tat so, als lese sie das Bordmagazin des Flugzeugs. Hielt Andrew sie denn für so gefühllos? Glaubte er etwa, es ginge nicht an ihren Stolz, wenn ihr alter Liebhaber in den höchsten Tönen von seiner neuen Gespielin schwärmte? Schließlich hatte Lela die beiden zusammengebracht!
»Sie hat hinreißende Brüste«, erklärte er und stupste
seine alte Flamme auffordernd an, als sollte sie auch noch zustimmen.
In diesem Punkt war Lela sogar zufälligerweise seiner Meinung. Aber genau das war ja Teil ihres Problems. Ihrer Auffassung nach verfügte sie selbst nur über ein einziges echtes Talent: Mit ihrem Charme bekam sie jeden ins Bett, den sie haben wollte. In Beas Fall war sie allerdings etwas zu geschickt gewesen. Zwar konnte sie es wohl auf ihre Trunkenheit schieben oder auf die pulstreibende Erregung, ihre Freundin dabei zu beobachten, wie sie Andrew verführte. Doch in Wahrheit hatte sie schon eine ganze Weile mit Bea schlafen wollen.
Lela war nie ein Mensch gewesen, der seine Gefühle in bestimmte Kategorien aufteilte. Die beste Möglichkeit, jemandem näherzukommen, bestand für sie im Sex. Wenn zwei Menschen Haut an Haut und somit sehr verletzlich nebeneinanderlagen, dann entstand eine Verbindung, die sich mit nichts vergleichen ließ.
Aber sie hätte wissen müssen, dass Bea sich nicht wohl dabei fühlen würde, eine solche Nähe mit ihr zu teilen. Sie konnte das, was passiert war, nicht so locker sehen wie Lela. Beim Sex konnte ihre Freundin zwar durchaus locker sein, aber nicht bei der Liebe. Das war bei Lela völlig anders. Sie wusste, dass mit ihr etwas nicht stimmte. Andere Menschen kamen sich doch auch näher, ohne gleich miteinander ins Bett zu hüpfen. Andere Menschen verliebten sich und ließen sich aufeinander ein. Und andere Menschen wussten, wie man sich für eine sexuelle Präferenz entschied.
Verständlicherweise sorgte Andrews Bewunderung für Bea dafür, dass sie von einem nicht unerheblichen Eifersuchtsanfall gepackt wurde.
Sie blätterte in ihrem Magazin, hatte dabei aber nichts anderes vor Augen als Beas Gesicht, während Andrew sie zum Höhepunkt brachte. Sie dachte daran, wie Bea ihm in dem Pariser Café einen runtergeholt hatte. Bist du bisexuell?, hatte die Freundin sie gefragt. Wer, zum Teufel, wusste das schon? Und wen interessierte das überhaupt? Tatsache war, dass sie es vermasselt hatte. Und zwar schon wieder.
Der Grund dafür lag in ihrer Kindheit begründet, das wusste Lela. Doch dieses Wissen schien wenig zu helfen. All die vielen Heime, all die Pflegeeltern. Eigentlich war sie keine Unruhestifterin gewesen – zumindest nicht zu Beginn. Nein, sie hatte versucht, sich anzupassen und liebenswert zu sein. Aber sie wusste nicht recht, wie. Und letzten Endes war es den Leuten auch völlig gleichgültig gewesen. In dem Moment, in dem sie sich als unbequem erwies, kriegte sie stets einen Tritt in den Hintern und musste die wenigen Freunde, die sie gefunden hatte, zurücklassen. Verloren und wurzellos war sie.
Doch sie lernte, wie man neue Freunde fand. Darin war Lela sehr gut. Sie schaffte es eben nur nicht, allzu enge Freundschaften zu schließen. Wieso sollte man sich auch an jemanden binden, wenn man ohnehin bald wieder fortmusste? Nur Bea hatte sie nicht widerstehen können. Bea war eine Königin, die sich für eine Bäuerin hielt. Sie behandelte Lela wie eine Heldin, weil sie die Angewohnheit hatte, die Wahrheit auszusprechen. Lelas Fehler waren für sie Tugenden. Und Lelas Tugenden – nun ja, dagegen sah Mutter Teresa in Beas Augen alt aus! Es gab nichts, was Beas Meinung über die Freundin erschüttern konnte. Wenn sie mit jemandem Freundschaft schloss, dann hielt diese ein Leben lang. Für Lela war der
Tag, an dem sie die junge Französin kennengelernt hatte, ein wahrer Glückstag. Bea war, wenn man es nüchtern betrachtete, die einzige Familie, die Lela hatte.
Sollte sie Bea verlieren, könnte sie sich ebenso gut gleich das Leben nehmen.
»Hey«, mischte sich auf einmal Andrews Stimme in ihre Gedanken ein, »wohin bist du denn abgetaucht?«
Sie schüttelte den Kopf und blinzelte ein paar Mal. »Entschuldige. Was hast du gesagt?«
Er lächelte und schob ihr die Brille zurück auf die Nase. »Ich wollte wissen, ob du vielleicht mit mir und Simon essen gehen willst, wenn wir wiederkommen?«
O Gott , dachte sie. Nicht schon wieder! So wie er sie
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