Haut aus Seide
gewöhnt. »Hat Ihre Freundin ungefähr meine Größe? Oder ist sie eher so groß wie Fran oder Nita?«
Simon tat so, als beziehe er die beiden anderen Verkäuferinnen in seine Überlegungen ein. Sie waren kleiner und dünner als Diane.
»Sie hat eher Ihre Größe«, log er, denn ihre Figur stimmte am wenigstens mit der seiner Exgespielin überein.
Die junge Frau zwinkerte – eine eher freundliche Geste, die aber dafür sorgte, dass sich unter seinem Kragen die ersten Schweißtropfen bildeten. »Gut.« Sie nahm das Kleid aus der Auslage. »Dann werde ich es mal für Sie anziehen.«
Simon fiel jetzt zum ersten Mal auf, dass sie in der anderen Hand ein gerahmtes Bild und einen Tacker hielt.
»Oh, ich habe Sie bei etwas unterbrochen«, sagte er. »Sie wollten gerade das Bild aufhängen.«
»Kein Problem«, erklärte sie und betrachtete das Bild mit liebevollem Blick. »Der Nagel ist schon eingeschlagen. Aber der Kunde kommt immer zuerst.«
»Geben Sie es mir doch. Dann kann ich es aufhängen, während Sie in das Kleid schlüpfen.«
Simon war erleichtert, dass es seinem Mund gelungen war, im Einklang mit seinem Hirn zu arbeiten, doch das Angebot schien sie eher zu amüsieren. Dennoch reichte sie ihm das Bild und verschwand in einer Umkleidekabine. Eine der anderen Verkäuferinnen, Nita, führte ihn zu dem Nagel.
»Sie versucht, den Laden etwas aufzupolieren«, flüsterte sie ihm zu, als er das Bild an den Haken hängte. Ihre Vertraulichkeit fiel ihm kaum auf – dazu war er zu abgelenkt von dem, was er da gerade an die Wand gehängt hatte.
Über Kunst wusste Simon fast ebenso wenig wie über Frauen – wenn das überhaupt möglich war. Trotzdem fiel ihm auf, dass es sich um ein wirklich schönes Bild handelte. Es stellte eine füllige junge Frau dar, die sich mit dem Gesicht zur Sonne aus einem mediterran anmutenden Fenster lehnte. In ihren Augen stand der reine Genuss geschrieben. Wäre sie nicht modern gekleidet gewesen,
hätte er es für ein altes Gemälde gehalten. Der Stil erinnerte ihn an diesen Manet oder so. Aber nicht den, der die Wasserlilien gemalt hatte.
Das könnte ich doch für Diane kaufen , dachte er, sehr angetan von dieser passenden Lösung. Zwar würde es vielleicht mehr kosten als angemessen, aber wenn es zufälligerweise doch etwas wert sein sollte, konnte Diane es in möglichen schlechten Zeiten immer noch verkaufen.
»Ich kaufe das Bild«, erklärte er, als die erste Verkäuferin hinter ihm auftauchte. Er war so vereinnahmt von seiner Entscheidung, dass er sich nicht einmal umdrehte.
»Das ist nicht zu verkaufen«, sagte sie. »Es gehört zur Dekoration.«
»Natürlich ist es zu verkaufen. Sagen Sie mir nur, wie viel es kosten soll.« Simon drehte sich um, griff nach seinem Scheckbuch, vergaß aber noch in der Bewegung, was er eigentlich hatte tun wollen. Seine Brust fühlte sich auf einmal an, als hätte jemand dagegengetreten. Er wusste, dass sein Blick ein einziges Starren war, aber er konnte sich nicht abwenden. Das rote Cheongsam-Kleid war wie eine zweite Haut, die ihren Körper umschloss. Der gestickte gelbe Drache umfasste ihre Brüste, und der Saum küsste ihre Knie. Simons Blick wanderte tiefer. Ihre Waden waren so geformt, dass eine jede perfekt in eine Hand passte. In seine Hand. Sie sah aus wie der verkörperte Sex. Allerdings in einer sportlichen Version.
»Das Bild gehört mir«, erklärte die junge Frau mit einer Stimme, die verblüffend ruhig war, wenn man bedachte, dass Simons Welt gerade auf den Kopf gestellt worden war. »Eine Freundin von mir hat es gemalt. Wenn es Ihnen gefällt, kann ich Ihnen gern ihre Karte geben, damit Sie sich mit ihr in Verbindung setzen können. Sie
wohnt in Paris, verlangt aber nicht mal die Hälfte von dem Geld, das ihre Bilder eigentlich wert sind. Sie macht Ihnen bestimmt einen guten Preis.«
Diese Informationen waren für Simons verwirrten Geist eindeutig zu kompliziert.
»Wollen Sie mit mir zu Mittag essen?«
Das Lächeln des Mädchens verblasste. Wäre sie eine Katze gewesen, hätte sich ihr Fell gesträubt. Ganz plötzlich wurde Simon klar, was er hier wohl für einen Eindruck machte. Wie ein auf seiner Zigarre herumkauender Typ darauf zu bestehen, dass er ihr Bild kaufen konnte, und sie dann auch noch zum Essen einzuladen, während er ein Geschenk für eine andere Frau kaufte – wenig gentlemanlike.
»Verzeihen Sie«, sagte er. Seine Gedanken rasten in der Hoffnung, wieder einigermaßen die Fassung zu gewinnen. »Ich wollte
Weitere Kostenlose Bücher