Haut aus Seide
Stirn in Falten. Der Kerl war zweifellos das Letzte, was sie jetzt brauchte. Schließlich hatte sie sich kaum davon erholt, Andrew aus ihrem Leben verbannt zu haben. Hinzu kam, dass sie nur einen kurzen Monat lang Zeit hatte, um diesen Laden zu durchleuchten, und obendrein gerade dabei war, sich neu zu erfinden. Und zwar von einem amüsierwilligen Mädchen zu einer Frau, auf die man zählen konnte.
Aber egal, wohin sie sich auch entwickelte, ein Feigling wollte sie auf keinen Fall sein.
Courage , dachte sie, und vor ihrem geistigen Auge stieg das Bild von Bea auf, wie sie sich mit ihrem Fahrrad den Weg durch den dichten Pariser Verkehr bahnte. Einem arroganten Kerl wie diesem hier gegenüberzutreten, war ganz gewiss nicht so gefährlich. Innerlich gewappnet schob sie den Samtvorhang beiseite, der die Umkleidekabine vom Verkaufsraum trennte.
Eins musste man dem Mann lassen, er tat nicht so, als warte er nicht auf sie.
»Hallo«, begrüßte er sie und ließ von den hauchdünnen Seidendessous ab, die er eben noch begutachtet hatte. Seine Stimme klang etwas rau – ein verführerischer Klang dunkler Nacht, der sie erschauern ließ. Entschlossen, ihre Reaktion zu verbergen, strich sie über das apricotfarbene
Mieder, das er gerade noch in der Hand gehalten hatte.
»Suchen Sie immer noch etwas für Ihre Freundin?«
Er schüttelte den Kopf und starrte sie nur hartnäckig an. Sein Gesichtsausdruck machte es ihr unmöglich, irgendeinen Fehler bei dem Mann zu finden. Fast als wäre er ein großer, tapsiger Bär, der verzweifelt nach Worten suchte, um ihr den Honig aus ihrem Bienenstock abzuluchsen.
»Das Kleid ist nicht das Richtige«, erklärte er. »Sie ist verlobt. Eigentlich wollte ich ihr ja auch das Bild kaufen.«
Lela war sicher, dass seine Aussagen irgendeine logische Verbindung hatten, und trotz ihrer festen Absicht, professionell zu bleiben, lächelte sie ihn an. »Soll ich Ihnen vielleicht doch noch die Karte meiner Freundin geben?«
»Ja«, erwiderte er. »Ich hätte sie schon gestern nehmen sollen. Aber Sie haben mich so nervös gemacht.«
Sein Eingeständnis klang, als wolle er ihr die Schuld für seine Defizite geben. Lelas Lächeln wurde breiter. Diesem Spiel konnte sie nicht widerstehen.
»Ach, wirklich?«, fragte sie mit dem sanftesten Ton, zu dem sie in der Lage war. »Das war aber nicht meine Absicht.«
Er schnaubte ungläubig und nahm den Bügel mit dem Mieder von der Stange. »Gestern vielleicht nicht.« Sein Blick wanderte von dem Wäschestück zu ihr. »Ich nehme an, Sie würden mir sicher den Kopf abreißen, wenn ich Sie bitten würde, das hier anzuprobieren.«
»Das wäre wirklich nicht besonders passend.«
»Und ich sollte Ihnen wahrscheinlich auch keine Entschädigung dafür anbieten.«
»Nein.« Sie faltete die Hände vor ihrem Schoß. Mittlerweile amüsierte dieser etwas niedergeschlagene Casanova sie über alle Maßen. » Meilleurs Amis ist keine Peep-Show.«
Der große Mann seufzte. Mein Gott, war der Kerl hinreißend! Damit hatte Lela nicht gerechnet, und sie war völlig ratlos, wie sie gegen seinen Charme ankämpfen sollte. An ihre geheimste Tür klopfte ein heftiger Puls, der sie geradezu zwang, diesem Mann den Schlüssel zu ihrem Heiligtum zu überreichen. Was würde es für einen Heidenspaß machen, seine gedrückte Stimmung mit einer Überraschung zu verjagen. Welch ein schmutziges Vergnügen würde das werden! Lela sah sich im Laden um. Der Mann war im Moment der einzige Kunde, und Therese war gerade zu ihrer Mittagspause aufgebrochen, die normalerweise an die zwei Stunden dauerte. Wenn man Nita Glauben schenken durfte, verbrachte ihre Chefin den Großteil ihrer Pause bei ihrem Therapeuten – einem Mann, den sie in den letzten acht Jahren auf vielerlei Weise näher kennengelernt hatte. Lela hatte sich erkundigt, ob der Psychologe auch der Vater ihres Kindes sei.
»Nein«, hatte Nita grinsend erklärt. » El Bambino ist ein Rache-Baby, das Therese nur bekommen hat, weil sie genug von Dr. Sams anderweitigen Abenteuern hatte.«
Nita und Fran steckten bereits die Köpfe zusammen und beschäftigten sich zweifellos gerade mit ähnlichem Klatsch. Nicht, dass das eine Rolle spiele. Lela kannte bereits zu viele Macken ihrer Kolleginnen, um eine wie auch immer geartete Enttarnung zu fürchten.
Wenn sie wollte, wenn sie es wagte, konnte sie dieses Abenteuer noch weiter treiben.
Sie berührte Simons Handgelenk, als er das Dessous wieder auf die Stange hängte.
»Für einen
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