Haut, so weiß wie Schnee
Flüsterton, und hin und wieder hörte Jonah sogar ein unterdrücktes Lachen. Es fielen Wörter wie »Einraumappartement« und »modisches Event«. Jette spielte die Entführung herunter, was ihn irgendwie ärgerte.
Nicht weit entfernt hörte er das Rauschen der Berieselungsanlage und merkte, wie durstig er war. Dukie brachte ihm die letzte Sprudelflasche aus dem Verlies, und weil Jette nichts abhaben wollte, trank er sie aus. Die Mädchen erzählten Jette, wie sie sie gefunden hatten. Ob im Tropenhaus Licht sei, wollte Jonah wissen. »Ja, wir mussten unten eine Lampe anmachen«, sagte Dukie. »Wir haben leider nicht daran gedacht, Taschenlampen mitzubringen. Wir sollten schnell abhauen.«
»Jo«, sagte Jette und kam auf ihn zu, »das sind Klara und Charlie, meine Freundinnen.«
»Hallo«, sagte das Mädchen, das zuerst am Verlies gewesen war. Wahrscheinlich hielt sie ihm in diesem Moment die Hand hin, aber das war nicht sein Problem. Er war müde.
»Hallo«, sagte das andere Mädchen. Sie hatte eine hohe Stimme und war etwas zurückhaltend.
»Ich bin Jonah«, sagte er und drehte seinen Kopf freundlich in Richtung der Mädchen.
»Jo«, sprudelte Jette heraus, »Wim Tanner hat deinem Freund erzählt, dass er und der andere Entführer sich im Tropenhaus verletzt haben. Dein Freund hat sofort gecheckt, dass sie mit uns gekämpft haben müssen. Charlie und Klara haben dann mit ihm zusammen das ganze Tropenhaus nach uns abgesucht, aber nichts gefunden. Und dann hat dein Freund heimlich die Baupläne besorgt. Und auf denen war das Verlies tatsächlich eingezeichnet! Und zwar mit einem Knopf, der die Schiebetür von außen öffnet. Den haben die Entführer nie benutzt, als wir dabei waren. Der ist hierunter der Holzverkleidung versteckt! Was sagst du dazu? Und sie haben auch eine Leiter besorgt.«
Jonah nickte matt.
»Gehen wir!«, sagte Jette und stürmte zum Rand des Hochsitzes. »Wer hält die Leiter?«
»Ich«, sagte Dukie und folgte ihr.
Jonah machte ebenfalls ein paar Schritte in die Richtung.
»Komm«, sagte das Mädchen mit der hohen Stimme. »Ich führe dich.«
Jette war schon auf der Leiter. Jonah hörte das Knarren der Sprossen. Er machte sich Sorgen. Vorhin war ihr noch schwindelig gewesen, und jetzt flitzte sie die Leiter hinunter wie ein Eichhörnchen einen Stamm. Hoffentlich kam sie gut unten an.
»Ich geh als Nächster«, erklärte Jonah.
»Okay«, sagte Dukie.
Das Mädchen führte Jonahs Hand an die Leiter. »Schaffst du das?«, fragte sie.
Die Leiter reichte ihm bis zur Brust und schien nur an den Hochstand angelehnt zu sein. Hoffentlich hielt Dukie sie auch wirklich fest. Jonah fuhr mit den Händen über das Holz. Die Leiter wirkte stabil und hatte eine normale Größe. Entschlossen setzte er seinen Fuß auf die erste Sprosse. Verdammt, dachte er, ich hab meine Schuhe gar nicht angezogen. Er würde sie später holen. Auf der zweiten Sprosse wurde ihm schlecht. Er hielt kurz inne und atmete tief ein und aus. Dann ging es wieder. Der Abstieg dauerte ewig. Was alles noch schwerer machte, war, dass er dauernd seine zu weite Hose wieder hochziehen musste. Er versuchte, dabei keine allzu lächerliche Figur abzugeben. Die drei anderen warteten bestimmt oben und schauten ihm zu. Er spürte Jettes schnelle Schritte weit unten auf derLeiter. Dann ihren Sprung auf den festen Boden. Sie hatte es geschafft. Schließlich war auch er fast unten angelangt.
Jette rief ihm vergnügt zu: »Hier ist g a n z viel Wasser! Eine Dusche!« Sie hatte sich wohl unter eine Berieselungsanlage gestellt. Er hörte das platschende Geräusch ihrer Schritte auf dem nassen Untergrund. »Nur noch vier Stufen!«, rief sie ihm zu.
Er machte eine kurze Pause und hörte ein Geräusch, das nicht hierhergehörte. Schritte. Ihm wurde auf einmal eiskalt. »Renn weg!«, rief er Jette zu. Fast im selben Augenblick hörte er einen Schlag. Ein dumpfer Aufprall auf einem Körper. Jette gab einen undefinierbaren Laut von sich. Es klatschte, als ihr Körper auf dem nassen Boden aufschlug.
»Ist was?«, rief eines der Mädchen von oben. Dann gab jemand der Leiter einen Stoß, und sie kippte um. Er versuchte noch, von der Leiter abzuspringen, um möglichst auf den Füßen zu landen, doch er verlor den Halt und schlug hart mit der Seite auf dem Boden auf. Die Schritte entfernten sich. Sie waren jetzt schwerer. Der Mann trug eine Last.
Jonah war nun hellwach. Er spürte keinen Schmerz. Weder von dem Sturz noch von den Entbehrungen der
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