Haut, so weiß wie Schnee
ebenfalls unter falschem Namen – gekauft.
Erst heute Morgen hatte Kai Saalfeld mit ihm Kontakt aufgenommen und ihn wissen lassen, dass die Luft in der Villa rein sei. Die Polizei hatte das Haus gründlich durchsucht – und überhaupt nichts gefunden. Offenbar auch nichts, was Kai Saalfeld hätte belasten können. Dennoch stand es um Kai Saalfeld nicht gut. Die Polizei hatte ihm klargemacht, dass er als verdächtig galt. »Kann sein, dass sie mich nur deshalb nicht einlochen, weil sie Angst haben, dass ich das Mädchen irgendwo versteckt habe und es dann niemals gefunden wird. Bestimmt denkt die Polizei, dass ich sie früher oder später zu dem Versteck führe, wenn sie mich nur lange genug beschattet«, hatte er gemeint.
Ein richtig schwerer Schlag für Kai Saalfeld war allerdings die Reaktion von Stayermed gewesen. Das Unternehmen hatte ihn fristlos entlassen. Man könne sich niemanden an der Spitze leisten, gegen den polizeilich ermittelt werde, so die Begründung. Der Konzern hatte sich sogar geweigert, Kai Saalfeld die im Fall vorzeitigen Ausscheidens vertraglich zugesicherte Abfindung zu zahlen. Bei einer fristlosen Kündigung aufgrund von polizeilichen Ermittlungen sei das nicht nötig, hatte Aufsichtsratschef Berger süffisant erklärt.
Und das Unternehmen hatte noch einen Trumpf in der Hand gehabt: Stayermed wusste, dass Kai Saalfeld das entführte Mädchen als Gewinnerin des Schönheitswettbewerbs vorgesehen hatte. Der Polizei gegenüber hatte Kai Saalfeld aber immer behauptet, von dem Mädchen erstmals aus den Medien erfahren zu haben. Stayermed hatte Kai Saalfeld zu verstehen gegeben, dass sie diese Information an die Polizei weitergeben würden, wenn er die Modalitäten seines Ausscheidens aus der Firma nicht akzeptieren würde. Das war natürlich Erpressung, doch Saalfeld konnte nichts dagegen tun. Doch für ihn wurde es finanziell jetzt verdammt eng.Wim Tanner war vorher gar nicht klar gewesen, dass Kai Saalfeld unter solch großem finanziellem Druck stand und auf sein Gehalt und die Bonuszahlungen angewiesen war, um das Tropenhaus bezahlen zu können.
Aber trotz all dieser Probleme war Kai Saalfeld weiterhin erstaunlich guter Dinge. Die Formel für die reine Haut hatte er immer noch nicht gefunden, aber das würde nicht mehr lange dauern, hatte er gesagt. In der Zeit, in der die Polizei das Haus durchkämmte, hatte Kai Saalfeld kaum arbeiten können. Aber jetzt wollte er wieder loslegen. Kai Saalfeld war es gelungen, seinen Computer bei Stayermed mitzunehmen und in der Villa zu verstecken. Außerdem hatte er angeblich bei Stayermed keine Datenspuren hinterlassen.
In der Presse wurde inzwischen freimütig über ein »Schönheits-Gen« spekuliert, das mit der Entführung von Jette Lindner zusammenhänge. Der Sohn des Kochs hatte natürlich alles ausgeplaudert. Aber auch das schien Kai Saalfeld kaum zu beunruhigen. »Ich bin der Einzige, der weiß, auf welchem Gen er suchen muss«, hatte er gesagt. »Die anderen haben keine Chance. Selbst wenn sie sich irgendwie ein paar Haare von dem Mädchen besorgen können.«
Kai Saalfeld war der festen Ansicht, dass der Aufsichtsrat wieder angekrochen käme, wenn er ihm signalisiere, dass er über besagten Code verfüge. »Es geht um zu viel Geld.« Außerdem behauptete er, dass die Polizei ihm nichts nachweisen könne, da er an alles gedacht habe. Vorsichtshalber habe er sogar die Bänder seines Sohnes entsorgt. Bislang hatte Dukie der Polizei offenbar keine Bänder ausgehändigt, und jetzt war es dafür zu spät. Kai Saalfeld war lieber auf Nummer sicher gegangen. Denn selbst wenn die Gespräche überspielt worden waren, hätte irgendein Tontechniker vielleicht noch etwas rekonstruieren können.
Jetzt aber endlich einen Schluck zum Entspannen, dachte Wim Tanner. Er hob das Glas mit dem Scotch. »Auf das nächste Lebensjahr«, sagte er und hob es in die Höhe. Die goldgelbe Flüssigkeit schwappte träge von einer Seite zur anderen und verströmte einen schwachen Duft nach Zitrone und Wiesenblumen. Er merkte, dass der neue Bart beim Trinken störte. Wieder stieg Wut in ihm hoch, doch als ihn der Branntwein von innen zu wärmen begann, beruhigte er sich ein wenig. Mit einem zweiten Schluck leerte er das Glas. Dann spülte er seinen Mund mit Wasser aus und nahm sich der Getränke seiner Gäste an.
Es hatte seine Vor- und Nachteile, allein zu feiern. Der Nachteil war: Es galt als nicht gesellschaftsfähig. Im besten Fall hielten einen die anderen für
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