Haut
nächsten Morgen zugestellt werden, und sobald es hell wäre, würde er damit beginnen, Lucys Freunde und ihren Arzt zu befragen und einen zweiten Beschluss beantragen, der ihm Einblick in die Unterlagen sämtlicher örtlicher Entbindungskliniken aus den letzten vierundzwanzig Monaten gewähren würde. Er hatte alles getan, was in seiner Macht stand. Um halb elf hatte er das Büro verlassen, resigniert und ausgelaugt.
Jetzt legte er das Telefon auf den Beifahrersitz und zog den Wagen quer über die Fahrbahn auf die Mittelspur, ohne den Golf und den ausgestreckten Finger zu beachten. Glastonbury Tor. Die Form dieses Hügels, der aussah wie ein hoch aufragender Pudding, spukte in den letzten paar Tagen immer wieder in seinem Kopf herum. Aber erst jetzt ergab es langsam einen Sinn. Er blieb auf der mittleren Spur und hielt die Tachonadel bei stetigen fünfundsiebzig Meilen. Er sah den Trödelhändler, James Pooley vor sich, wie er die Briefbeschwerer betrachtete und mit den Händen die Kegelform des Tor nachahmte.
Man könnte sie so aneinanderreihen. Vielleicht auf einer Fensterbank. Zum Beispiel, wenn da etwas vor dem Fenster wäre, auf das man die Aufmerksamkeit lenken wollte.
Deshalb besaß Pooley keine Verkaufsbelege. Lucy hatte die Stücke nicht bezahlt. Und die anderen Briefbeschwerer, die Pooley ihm gezeigt hatte - eingekauft, weil Lucy die Farbe gefallen würde -, wiesen exakt den gleichen Blauton auf wie Lucys Gemälde. Woher wusste Pooley, dass ihr die Farbe gefallen würde, wenn er nie in ihrem Zimmer gewesen war und die Bilder gesehen hatte? Woher wusste er, dass sie durch ihr Atelierfenster den Glastonbury Tor sehen konnte? Zumal, wenn sie diesen Raum so abschottete? Waren das Dinge, die in einer alltäglichen Unterhaltung erwähnt wurden? Das glaubte er nicht. Vermutlich war es Pooley gewesen, der dieses Video in Lucys Atelier aufgenommen hatte.
Er rief den Leiter der Spurensicherung an, der bei der Durchsuchung von Susan Hopkins Wohnung dabei gewesen war. Das Telefon war abgeschaltet, und Caffery hinterließ eine Nachricht: »Ich wüsste gern, ob es in der Wohnung der Hopkins irgendwelche Antiquitäten gab. Oder Briefbeschwerer. Und ist irgendwo der Name >Emporium< aufgetaucht? Rufen Sie mich an. So bald wie möglich, ja? Auch wenn Sie diese Nachricht erst um zwei Uhr morgens abhören.«
Dann wählte er die Nummer der Dienststelle und ließ den Namen James Pooley in den Computer eingeben. Der Mann war sauber. Eine Suche im Melderegister förderte drei James Pooleys zutage, zwei in Wiltshire und einen in Somerset. Alle drei wohnten mindestens anderthalb Autostunden weit entfernt. Während er noch überlegte, welchen er zuerst aufsuchen sollte, sah er die Ausfahrt zur Ringstraße nach Brislington. Er schaltete den Blinker ein, verließ die Autobahn, fuhr über die Brücke und auf der leeren Straße in Richtung Süden.
In der Einfahrt des kleinen Gewerbegebiets stand eine Kabine mit einem Wachmann. Der Mann schlief fest; eine Zeitung lag ausgebreitet auf seinem Bauch. Caffery musste an das Fenster der Kabine hämmern, um ihn zu wecken. Allem Anschein nach war er nicht sehr erpicht darauf, seinen Job zu behalten, denn er ließ Caffery wortlos hineinfahren, und obwohl er den Dienstausweis gesehen hatte und wusste, dass es sich um eine polizeiliche Angelegenheit handelte, machte er sich nicht die Mühe, ihm zu folgen, sondern schlief gleich wieder ein.
Das Erste, was Caffery am hinteren Ende des Geländes bemerkte, war der Umstand, dass die hohen Flügel des Hangar-Schiebetors des Emporiums offen standen. Um diese Zeit war das merkwürdig, auch wenn hier ein Nachtwächter Dienst hatte. Caffery stellte den Motor ab und ließ das Fenster herunter. Es gab hier keine künstliche Beleuchtung; nur der milchige Widerschein der Innenstadt von Bristol tauchte alles in ein gleichförmiges Grau. Nur schemenhaft nahm er die Umrisse der Waren an den Wänden im Hangar wahr. Ungefähr fünf Meter vor ihm parkten zwei Autos mit dem Kühler zu ihm. Er überlegte, ob er noch einmal anrufen und die Kennzeichen überprüfen lassen sollte, als ein Geräusch aus dem Hangar kam. Ein Geräusch, bei dem sich seine Nackenhaare sträubten.
Er öffnete das Handschuhfach. Die schicke Pistole steckte hinter einer Straßenkarte und zwei Päckchen Tabak. Unbenutzbar. Er starrte sie einen Moment lang an, klappte dann das Handschuhfach wieder zu und tastete unter seinem Jackett nach dem ASP-Schlagstock und dem CS-Gas-Spray. Er stieg
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