Haut
einen langen engen Rock, eine violette Bluse mit Fledermausärmeln und Schuhe mit Killerabsätzen. Ihr Lippenstift war magentafarben. Man legte sich besser nicht mit ihr an.
»Hallo.« Caffery sah sich im Zimmer um, fand einen Stuhl und setzte sich. Er schob die Hand in die Tasche, wo seine Finger auf den Tasten seines Handys herumspielten. »Sind Sie Mr. Tanners Sekretärin?«
»Wer will das wissen?«
Ein guter Start, Cruella. Mit der freien Hand fischte er eine Karte aus der Tasche und legte sie auf den Schreibtisch. »Ist Mr. Tanner hier?«
»Nein.«
Marsha studierte die Karte. Der Monitor stand von allem abgewandt - vom Fenster, von der Tür. Sie hatte dafür gesorgt, dass niemand sich an ihre Seite schleichen und einen Blick auf den Bildschirm werfen konnte.
»Kommt er heute noch?«
»Nein. Er war schon da. Kommt erst Freitag wieder. Worum geht es, bitte?«
Er drückte noch eine Taste in der Hosentasche, und das Handy klingelte.
»'tschuldigung.« Er stand auf, ging zur Tür und zog das Telefon heraus. Sein Finger lag immer noch auf der Klingeltontaste. Er warf einen Blick auf das Display und nahm den Finger weg. Das Klingeln hörte auf.
»Hallo?«
Marsha beobachtete ihn mit versteinerter Miene von ihrem Schreibtisch aus.
»Das muss ich annehmen«, flüsterte er ihr zu. »Bin gleich wieder da.«
Er schlüpfte hinaus und tat dabei, als spräche er mit jemandem. Am Ende des Korridors, außer Hörweite der Büros, blieb er stehen und wählte die Nummer des Empfangs.
»UPS hier. Ich habe eine Lieferung für einen Mr. Tanner. Ist das hier die richtige Nummer?«
»Ja.«
»Ich komme von der A 432. Bin nur ein paar Minuten entfernt.«
»Nehmen Sie den zweiten Fahrweg rechts. Da steht ein Wegweiser.«
»Ich bin ein bisschen unter Zeitdruck. Muss gleich weiter. Könnte wohl jemand rauskommen und mich am Eingang erwarten?«
»Ich weiß nicht. Das wird allmählich zur Gewohnheit bei euch.«
»Ja... tut mir leid.«
»Ich kann das nicht jedes Mal machen, wissen Sie.«
»Aber Sie würden mir einen Gefallen tun.«
»Oh, hoho. Das ist allerdings ein Ansporn.« Die Rezeptionistin seufzte. »Ich sage seiner Sekretärin, sie soll auf Sie warten. Aber nur dieses eine Mal.«
»Nett von Ihnen.«
Als er wieder in das Büro kam, hatte die Rezeption bereits angerufen. Marsha stand am Schreibtisch und legte gerade den Hörer auf. »Ich muss kurz weg. Dauert nicht lange.«
»Macht nichts.« Er setzte sich wieder. »Ich kann warten.«
Sie sah erst ihn an, dann den Stuhl, auf dem er saß, schließlich den Computer. Sie beugte sich vor und loggte sich aus - sehr bewusst, sehr kühl - nahm ihre Handtasche von der Stuhllehne und lächelte ihm schmallippig zu. Caffery lächelte zurück und hob die Hand. Wenn man einem Polizisten nicht mehr trauen konnte, wem dann? Das hatte seine Mutter immer gesagt. Und sein Dad musste darüber lachen.
Als sie gegangen war, stand er auf, trat ans Fenster und wartete darauf, dass sie in der kiesbedeckten Einfahrt erschien. Mit hocherhobenem Kopf kam sie heraus. Mit gestrafftem Rücken und beherrscht, die Arme verschränkt, stand sie da und schaute Richtung Zufahrt. Mit der Erfahrung aus neununddreißig Jahren wusste er, dass Frauen, die sich kleideten und benahmen wie Marsha, ihre Rolle im Schlafzimmer niemals weiterspielten. Männer entwickelten Phantasien über Peitschen und Leder und Unterwerfung, aber Mädchen wie Marsha wollten es im Bett sanfter haben als diejenigen, die nur Angorapullover trugen. Außerhalb des Schlafzimmers jedoch konnten die Marshas dieser Welt echte Raubtiere sein. Und sie hatte ihn überlistet - hatte ihn kaltgestellt, indem sie sich einfach ausloggte. Am Ende würde er jetzt doch einen verdammten Gerichtsbeschluss brauchen. Noch mehr Zeitverschwendung.
Er starrte auf den Computer. Nein, dachte er, keine Chance, da hineinzukommen. Nicht die geringste. Andererseits, dachte er, es wäre doch unhöflich, es nicht wenigstens zu versuchen. Er setzte sich auf ihren Stuhl und starrte das Login-Fenster an. Zwei Felder: BENUTZERNAME und PASSWORT. Das war die Hürde; im Kino fand der Held das Passwort immer beim dritten Versuch. Er scannte den Schreibtisch nach Hinweisen ab. Nichts. Er strich mit der Hand über den Computer, zog dann die Schreibtischschubladen heraus und tastete unter den Böden nach angeklebten Zetteln. Nichts. Er drehte Marshas Namensschild zu sich herum: Marsha Wingert, »m.wingett«, gab er ein. Scheiße, was soll's?, dachte er und schrieb
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