Haut
empfohlen.«
»Ach ja?« Er schaut nicht auf. »Nett von ihr.«
»Sie und ich, wir stehen uns sehr nah. Sie erzählt mir alles. Sie hat sich mir anvertraut.«
»Anvertraut?«
Er schreibt immer noch. Zeigt kein Interesse. »Sie sagt, Sie sind einer der besten Chirurgen in dieser Gegend.«
Jetzt blickt er auf. »Danke. Das hört man immer gern.«
»Ich glaube, sie hat mit Ihnen gesprochen. Über einen...«
»Über einen Rabatt?«
Erleichtert atmet sie auf. »Genau. Über einen Rabatt. Sie hat mit Ihnen gesprochen.«
»Ja, stimmt. Marsha wird sich darum kümmern. Meine Sekretärin. Wenn Sie den Termin vereinbaren, können Sie das alles mit ihr besprechen. Ich habe Ende Juni noch Platz.«
Ruth machte schmale Augen. »Und wann muss ich bezahlen?«
»Marsha wird Ihnen eine Rechnung schicken.«
Ihr Herz macht einen Satz. Rechnungen brauchen Tage. Wochen vielleicht. Zeit genug, um die kleine Miss noch ein bisschen zu melken. »Wann?«, fragt sie.
Der Arzt sieht sie an. »Zerbrechen Sie sich darüber nicht den Kopf«, antwortet er. »Wir melden uns nach der OP.«
54
Die Klinik Rothersfield hatte äußerlich große Ähnlichkeit mit Farleigh Park Hall, dachte Caffery: eichenholzgetäfelte Warteräume, eine Marmortreppe, Zimmer mit Glasschiebetüren, die zu den weiten Rasenflächen hinausgingen. Aber damit war die Ähnlichkeit zu Ende. Hier gab es außerdem einen Gepäckträgerservice und handgeschriebene Speisekarten mit Fünf-Gänge-Menüs, und niemand erwartete, dass man im Rahmen der Behandlung die Toilette putzte. In der Zufahrt warteten Chauffeure mit Mercedes und Bentleys auf ihre reichen Arbeitgeber, die sich von ihrem Facelifting erholten.
In einem kleinen Büro an der Rückseite des Gebäudes mit Blick auf einen englischen Garten mit verschlungenen Wegen, auf denen zwei Patientinnen in Frotteebademänteln umherspazierten, erwartete ihn Darcy Lytton, die Krankenschwester. Sie war noch nicht umgezogen und sah nach der mit ihrem Freund verbrachten Nacht zerknautscht aus. Sie trug verschlissene, enge Atticus-Jeans, einen nietenbesetzten Gürtel und ein schwarzes T-Shirt mit der Aufschrift »Killer Bitch« quer über der Brust. Auch ihr Augen-Make-up stammte vom vergangenen Abend; es klebte verschmiert in den Fältchen unter ihren braunen Augen. Sie saß mit zwischen die Knie geklemmten Händen da, und nagte an der Unterlippe. Sie hatte geweint.
»Was ist passiert?« Sie stand auf, als er hereinkam. »Hat sie sich umgebracht? Hat sie einen Brief hinterlassen?«
»Darcy?«
»Ja.«
»Ich bin Jack. Jack Caffery.«
Sie ergriff die Hand, die er ihr entgegenstreckte. Ihre Handfläche war feucht und kalt. »Hat sie gesagt, warum? In ihrem Brief?«
»Setzen Sie sich.«
Sie gehorchte, und er nahm neben ihr Platz, mit leicht gespreizten Beinen, sodass sein Knie fast das ihre berührte. Er senkte den Kopf ein wenig, sodass er ihr ins Gesicht sehen konnte.
»Es hat Sie schwer getroffen, nicht wahr?«
»Es ist nicht gerade das, was ich erwartet habe, wissen Sie, als ich heute Morgen zum Dienst kam.«
»Können Sie darüber sprechen?«
»Ich hab schon eine Menge gesagt, ich hab Ihnen erzählt, dass ich...« Sie drehte sich zu ihm um und schaute ihn mit verschmierten Augen an. »Ich denke die ganze Zeit, ich hätte etwas tun sollen.«
Er legte ihr eine Hand auf die Schulter. Das war vielleicht eine dumme Geste, denn streng genommen sollte er nicht einmal hier mit ihr allein sein. Man wusste nie, zu welchen Beschuldigungen jemand fähig war. Die osteuropäischen Mädchen im Knast in Dover hatten es sich zur Gewohnheit gemacht zu warten, bis sie mit einem Polizisten allein waren; dann hatten sie die Hand in ihr Höschen geschoben und ihre Finger an seiner Hand abgewischt, ehe er wusste, wie ihm geschah. Anschließend hatten sie angefangen zu schreien. Wer konnte da noch leugnen, wenn die DNA im Abstrich gefunden wurde? Heutzutage schärfte man den Polizisten ein, nur noch paarweise aufzutreten. Aber dieses Mädchen sah nicht aus, als hätte es noch die Kraft, allein zur Toilette zu gehen, geschweige denn, ihm einen sexuellen Übergriff anzuhängen.
»Ich bin auch von der Polizei«, sagte er, »aber ich habe vielleicht andere Fragen als die, die man Ihnen am Telefon gestellt hat. Ist das okay?«
»Was stand in dem Brief?« Darcy presste ein zusammengeknülltes Taschentuch an die Nase. »In dem Abschiedsbrief.«
»Sie war unglücklich. Fühlte sich verlassen.«
»Sie war nicht verlassen. Ich kann's einfach
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