Haut
ich will mit Mr. Tanner persönlich sprechen.«
»Dann drucke ich Ihnen seine Privatadresse aus.«
57
Im Fernsehen ist die Soap soeben zu Ende, und Ruth schenkt sich den dritten Rum mit Cola ein, als jemand an die Tür klopft. Sie schaut zur Uhr. Erst ein Uhr mittags. Die kleine Miss hat gesagt, im Lauf des Nachmittags. Es ärgert sie, dass sie vielleicht zu früh kommen könnte. Sie hat versucht, sich zu überlegen, wie sie die Sache angehen, wie sie den Preis erhöhen soll. Möglicherweise liegt es am Rum, aber sie ist sich noch nicht im Klaren, und das ärgert sie.
Es klopft wieder. Gereizt stellt sie ihr Glas hin, geht in die Diele und schiebt die Kette vor.
»Ja, was ist?«
Aber als sie hinausschaut, sieht sie, dass Mr. Tanner, der Chirurg aus der Klinik, vor der Tür steht. Mit ihm hat sie nicht gerechnet. Er ist merkwürdig angezogen; was er trägt, sieht aus wie ein Jeanskittel, aber er hat eine Flasche Champagner in der Hand, und er lächelt verlegen.
»Ruth?«
»Ja?«
»Es tut mir leid.«
»Was tut Ihnen leid?«
»Ich sollte nicht hier sein.«
»Warum nicht?«
»Es ist unethisch. Wenn ich einen Hut hätte« - er lächelt reumütig -, »dann würde ich ihn jetzt in der Hand halten.«
Sie öffnet die Tür ein Stückchen weiter und macht ein ratloses Gesicht. Er sieht sonderbar aus hier draußen in der Sonne. Er hat sehr feine Knochen, eine winzige Nase und dichtes, von grauen Strähnen durchzogenes Haar, durch das er immer wieder nervös mit den Fingern fährt.
»Als ich sie gefragt habe, ob Sie allein leben, Ruth - das kam mir nicht zu. Das ist Aufgabe der Mitarbeiter.«
»Hä?«
Er beißt sich auf die Lippe und schaut zur Straße zurück. Dann dreht er sich wieder zu ihr um, und allmählich geht ihr ein Licht auf. Sie denkt an die Mercedes und Aston Martins, die sie am Morgen auf dem Personalparkplatz der Klinik gesehen hat. Sie denkt daran, wie sie sich in den Pub setzt und darauf wartet, dass jemand sie anspricht. Und dann denkt sie daran, wie sie ihre Beine übereinandergeschlagen hat, als sie ihm am Morgen gegenübersaß.
»Mein Vorname ist Georges«, sagt er.
»Hallo, Georges.«
»Darf ich reinkommen? Ich bleibe nicht lange. Nicht wenn Sie nicht wollen.«
Sie öffnet die Tür ganz und lässt ihn eintreten. Er geht durch den Korridor und schaut nach links und nach rechts. Sie folgt ihm. Vor dem Spiegel bleibt sie einen Moment lang stehen und pult mit dem Fingernagel die krümelige Wimperntusche aus den Augenwinkeln. Hastig legt sie ihren Kaugummi in den Aschenbecher und wölbt die Hände vor dem Mund, um ihren Atem zu überprüfen.
Als sie ins Wohnzimmer kommt, steht er mitten auf dem Teppich.
»Hübsch hier.«
Sie zieht die Träger ihres BHs zurecht, damit ihre Brüste sich hochwölben. Damit er sie sieht. »Möchten Sie etwas trinken?«
»Das wäre nett. Wenn es nicht zu viele Umstände macht. Was trinken Sie?«
»Ich...« Sie deutet auf das Glas auf der Bar. »Rum und Coke. Aber ich kann Ihnen auch was anderes machen.«
»Rum und Coke.« Er lächelt. Eigentlich sieht er gar nicht so schlecht aus. Müsste nur ein bisschen zurechtgemacht werden. »Perfekt.«
Er setzt sich höflich auf das Sofa, schiebt die Füße zusammen und beobachtet, wie sie seinen Drink mixt. Als sie sich umdreht, um ihm das Glas zu reichen, streckt er ihr die Champagnerflasche mit beiden Händen entgegen. »Ich glaube, der muss gekühlt werden.«
»O ja.« Veuve Clicquot. Stevie liebt Veuve. Sie stellt das Glas neben ihn auf den Tisch und nimmt die Flasche, die ein bisschen warm ist. Sie bringt sie in die Küche, legt sie ins Gefrierfach und packt einen Beutel Eis darauf. Als sie zurückkommt, steht Georges an der Bar und sieht sich die Fotos an. Dazwischen befindet sich das Bild eines Delphins in Griechenland. Sie stellt sich neben Georges.
»Ein wunderschönes Tier.« Sie nimmt ihr Glas von der Bar und trinkt einen Schluck. »Nicht wahr?«
Tanner dreht sich um und sieht ihr fest in die Augen. »Ich wüsste etwas Schöneres.«
Sie möchte kichern, aber sie bremst sich. Georges ist kein Mann, der etwas für Gekicher übrighat. Er ist ernst. Er hat Klasse. Also lächelt sie und zeigt auf ein anderes Foto.
»Mein Exmann. Und mein Sohn. Er wohnt in der Nähe. Kommt ab und zu vorbei. Aber ansonsten bin ich allein. Wie ich gesagt habe.«
»Es tut mir leid, dass ich Sie so ausgefragt habe. Sie haben mich nervös gemacht, das ist alles.« Er nimmt wieder auf dem Sofa Platz. »Ich habe alles
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