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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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vermasselt.«
    »Nein, das haben Sie nicht. Sie waren reizend, einfach reizend.«
    Er deutet zur Wand. »Dann erzählen Sie mir von den Delphinen. Sie sind eine richtige Seefahrerin, nehme ich an.«
    Erfreut über sein Interesse, setzt sie sich in den Ruhesessel und zieht ihren Rock hübsch zurecht. Sie fängt an, von den Tieren zu erzählen, von den Delphinen in Griechenland, von den Lummen, die sie einmal über den Hafen von Sitges hat fliegen sehen. Er überlässt ihr die Führung des Gesprächs. Stellt ihr viele Fragen: Wie ist das Leben auf einem Boot? Ist sie an Land glücklicher? Ist es den Katzen lieber hier? Vermutlich ist es doch schön, dass sie so viele Tiere halten kann. Er ist wirklich ganz reizend, findet sie. Der Schein kann trügen. »Sie haben ausgetrunken.«
    Sie schaut das Glas in ihrer Hand an und stellt fest, dass er recht hat - es ist leer. Sie unterhalten sich jetzt schon eine ganze Weile. Sein Glas steht immer noch unberührt neben ihm auf dem Tisch. Er dreht sich um und blickt zur Küchentür. »Was ist mit dem Champagner? Glauben Sie, er ist schon kalt?«
    Sie steht auf und geht in die Küche, holt den Champagner aus dem Gefrierfach und nimmt zwei Schalengläser aus Kristall, die Stevie in einem Restaurant auf Sardinien geklaut hat. Als sie die Flasche entkorkt, ist ihr einen Augenblick lang schwindlig. Sie stellt die Flasche hin und lehnt sich an die Arbeitsplatte. Das ist neu für sie. Ein paar Cola mit Rum werfen sie normalerweise nicht um. Sie schöpft ein bisschen Wasser aus dem Hahn in den Mund, trocknet die Lippen an einem Geschirrtuch ab und wendet sich wieder dem Champagner zu. Die Flasche ist offen, und beide Gläser sind voll, als ihr schon wieder so merkwürdig wird. Mit einem lauten Knall stellt sie die Flasche hin; im nächsten Moment ist Tanner bei ihr.
    »Geht's Ihnen gut?«
    »Ja.« Sie lächelt. »Ausgezeichnet, Nur ein bisschen...« Sie streckt die Hand aus, und er greift ihr unter die Arme und führt sie ins Wohnzimmer. Hilft ihr in den Sessel. »Fühlen Sie sich schwach?«
    »Mir ist komisch.«
    »Ich weiß, warum. Als ich heute Ihren Blutdruck gemessen habe, dachte ich schon, er ist zu hoch.«
    »Mein Blut... Was haben Sie gesagt?«
    »Bewegen Sie sich nicht. Ich habe Tabletten dabei.«
    »Tabletten? Mein Blutdruck ist immer in Ordnung. Der Arzt sagt, er ist gut für mein Alter.«
    Sie schaut nach unten. Er hat ein kleines braunes Fläschchen aus der Tasche geholt und schüttelt weiße Tabletten in seine flache Hand. Sie sehen groß und sehr weiß aus. »Was ist das?«
    »Das wird den Blutdruck senken. Sie werden sich sofort besser fühlen.« Er deutet mit dem Kopf zum Computer. »Wie lautet das Passwort?«
    »Mein Passwort?« Sie legt einen Finger an den Kopf. Das Zimmer kommt ihr kleiner vor, als sie es in Erinnerung hat. »Wozu brauchen Sie mein... ?«
    »Ich muß die Dosierung überprüfen. Wie heißt das Passwort?«
    »Stevie21.«
    »Und wie viel wiegen Sie?«
    »Wie viel ich... ? Ich weiß es nicht.«
    Er geht zum Computer, und sie hört, wie er tippt. Ihr Kopf ist zu schwer, um sich umzudrehen und hinzuschauen. Sie stützt ihn auf die Hand und hat einen Augenblick lang das Gefühl, dass er aus Stein ist wie der einer Statue, und dass er zerbrechen wird, wenn sie ihn bewegt. Tanner kommt zurück und schüttet ihr einen Haufen Tabletten in die Hand.
    »So viele?«
    »Ein homöopathisches Mittel.«
    Homöopathisch. Davon hat sie schon gehört. Sie wirft sie in den Mund und nimmt das Glas Coke, das er ihr reicht. Die Tabletten sind bitter und kratzen in der Kehle, aber sie würgt sie mit zwei Schlucken hinunter.
    »Ich glaube, Sie müssen ein bisschen spazieren fahren. Frische Luft schnappen. Wo ist Ihr Auto?«
    »Draußen«, murmelt sie. Ihr Mund fühlt sich an, als wäre er voller Staub. »Draußen im...« Sie legt den Kopf zurück. Versucht, den Blick auf ihn zu konzentrieren. »Drüben neben der Terrasse.«
    Sie will sich hochstemmen, auf die Beine kommen, aber sie kann es nicht. Aber das beunruhigt sie nicht; es kümmert sie überhaupt nicht. Ihre Füße sind weit, weit weg, ihre Beine nur verschwommene helle Säulen. Sie schaut ihre Schuhe an und denkt: so schöne, schöne Schuhe. Rot und glänzend wie Rubine. Danke, lieber Gott, für schöne Schuhe. »Ihre Schlüssel.«
    Tanner steht neben ihr. Schüttelt sie. Sie hebt den Blick, aber ihre Lider sind schwer. »Wo sind Ihre Schlüssel?«
    »Ich glaube, ich muss etwas essen.«
    »Nein. Sagen Sie mir nur, wo

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