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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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nicht glauben. Sie hatte jede Menge Freunde. Ihre Eltern sind klasse, richtig cool - für Eltern, meine ich. Und Paul kam von der Ölplattform zurück. Sie konnte von nichts anderem reden. Hat sich die ganze Woche darauf gefreut.«
    »Sie kannten sie gut?«
    »Ein paar Jahre lang haben wir eigentlich alles zusammen gemacht. Vor ungefähr sechs Monaten hatten wir - ich weiß nicht - einen kleinen Krach, und seitdem sind wir uns ein wenig aus dem Weg gegangen, aber nicht ernsthaft, wissen Sie. Wir haben uns ein bisschen zurückgehalten, damit wir nicht über diesen Streit reden mussten. Aber wir hatten immer noch ein gutes Verhältnis bei der Arbeit; wir haben gelacht und getratscht und so weiter.«
    »Das Revier sagt, Sie hätten sie zuletzt gestern in der Mittagspause gesehen.«
    »Im Umkleideraum. Ich war dabei, mich umzuziehen; ich hatte eine Verabredung. Sie ging aufs Klo. Ich stehe da und gucke in den Spiegel, und ich sehe, wie sie rauskommt und sich die Hände wäscht, und... und deshalb bin ich irgendwie...« Sie biss sich auf die Lippe. »Deshalb bin ich ziemlich durcheinander, weil ich glaube, sie wollte mir etwas erzählen, und ich hatte es eilig und hab nicht zugehört. Ich hab nachher überlegt, ob ich sie anrufen soll, aber als ich es getan hab, war ihr Handy abgeschaltet, und eine Nachricht wollte ich nicht hinterlassen.«
    »Ihr Telefon war abgeschaltet, als man sie fand, und die Anruferliste gelöscht. Hat sie die immer gelöscht?«
    »Ich glaube nicht. Aber eins weiß ich bestimmt: Sie hat niemals ihr Handy ausgeschaltet. Nie.«
    »Erzählen Sie es mir noch einmal - was ist im Umkleideraum passiert?«
    »Es war ihr Gesicht. Sie...« Darcy zögerte. Offenbar überlegte sie, wie sie es erklären sollte. »Kennen Sie das - wenn jemand gerade etwas gesehen hat und nicht glauben kann, was er da gesehen hat? Da macht er ein Gesicht, als würde er denken, jemand will sich über ihn lustig machen, aber er ist sich nicht sicher.« Sie wischte sich über die Augen. »Ich musste weg, und deshalb hab ich in den Spiegel geguckt und gesagt: >Was läuft, Susy?< Und sie schüttelt den Kopf und meint: >Kennst du eine von den Schwestern im Aufwachzimmer?< Und ich: >Nein, warum ?< Und sie: >Ich glaube, die sind alle ein bisschen dämlich - sehen nicht, was vor ihrer Nase passiert.<«
    Caffery hob die Brauen. Darcy nickte. »Ich weiß. Aber die Dämliche bin ich, weil ich nur mit halbem Ohr zugehört hab und dachte, sie will über die anderen Schwestern herziehen. Und dann sagt sie: >Ich bin ein bisschen wütend. Ich glaube, ich hab eben gesehen, wie einer der Ärzte was gestohlen hat.<«
    »Was gestohlen?«
    »Hat sie nicht gesagt. Ich glaube nicht, dass es um Geld oder Wertsachen ging. Es war die Art, wie sie das Wort >stehlen< benutzte. Als käme es der Sache am nächsten. Und wenn ich jetzt darüber nachdenke, bin ich sicher, dass das, was sie mir erzählen wollte, komplett schräg war. Es stand ihr ins Gesicht geschrieben, als hätte sie was wirklich Furchtbares gesehen.«
    »Wo kam sie denn her?«
    »Aus dem OP.«
    »Hat sie gesagt, welcher Arzt es war?«
    »Nein. Ich nehme an, sie hat gestern mit mehreren gearbeitet.«
    Einen Moment lang war es still. Sie sah Caffery an, ohne die Bedeutung dessen, was sie da gesagt hatte, zu begreifen. »Gott, es tut mir leid«, sagte sie. »Ich bin keine große Hilfe, was?«
    »Es muss Ihnen nicht leidtun.« Caffery unterdrückte den Impuls, noch einmal ihre Schulter zu tätscheln. »Überhaupt nicht. Sie haben mir sehr geholfen.«
     

55
    Die Geschäftsführerin der Klinik konnte sich nicht vorstellen, was Susan Hopkins mit »stehlen« gemeint haben könnte. Die Patienten dürften im Aufwachzimmer eigentlich keine Wertsachen bei sich haben, weil bei der Aufnahme alles in den zentralen Safe der Klinik gelegt werde. Gegen Quittung. Zum Beweis zeigte sie Caffery das Wertsachenregister. Ihr Tag verlief nicht unbedingt nach Plan, und Caffery hatte Verständnis für sie, aber er fand, das sei keine Entschuldigung für ihre Unhöflichkeit. Sie war verkniffen wie der Hintern eines Kamels im Sandsturm, und als er von ihr detaillierte Angaben über die Ärzte haben wollte, mit denen Susan Hopkins am Vortag zusammengearbeitet hatte, platzte ihr endgültig der Kragen. Die Klinik vermiete Räumlichkeiten und Einrichtungen an die Chirurgen, erklärte sie, und das sei alles. Sie werde ihm gern die Namen der drei Ärzte geben, die mit Susan zusammen auf dem Dienstplan gestanden hätten, aber

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