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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Leichenschauhaus fotografierte -, und trug eine Maske über Mund und Nase. Sie war nackt bis auf einen Verband über den Brüsten und ein Knäuel von geblümtem Baumwollstoff an ihren Knien. Ihre Augen waren geschlossen, aber ihr Gesicht hatte zu viel Farbe für eine Leiche. Er betrachtete den Stoff. Es war ein OP-Hemd. Und bei dem Bett handelte es sich um ein Krankenhausbett. Sie war nicht tot, sondern in Narkose. Vielleicht kurz vor dem Aufwachen, denn was sie vor dem Gesicht trug, war keine Larynxmaske.
    In einem Rahmen unter dem Foto standen fein gedruckte Textzeilen: »Name: Pauline Weir. Geb. 04.05.81. OP-Datum 15.07.08. OP: Brustverkleinerung.« Darunter befand sich die schematische Darstellung einer Frau, ein bisschen wie auf dem Schaubild an der Wand. Mit roter Tinte waren zwei Halbkreise auf die Unterseiten der Brüste gemalt.
    Caffery trug den Behälter zum Tisch und öffnete ihn vorsichtig. In der klaren braunen Flüssigkeit schwammen sieben oder acht Hautlappen - wie Exponate in einem medizinischen Museum.
    Er drückte den Deckel wieder zu, ging zum Kühlschrank und nahm einen anderen heraus. Wieder ein Foto von einer Frau auf einem Bett, nackt bis auf das Hemd, das bis zu den Knien heruntergezogen war, und einen Verband um den Bauch. Kein Anästhesist würde während der Narkose von der Seite des Patienten weichen, aber die Aufwachphase überwachte er nur bis zu einem bestimmten Punkt; den Rest übernahm eine speziell ausgebildete Krankenschwester, die sich vielleicht überreden ließe, das Zimmer zu verlassen. Ganz sicher, wenn ein Arzt es verlangte. War es das, was Susan Hopkins gemeint hatte, als sie sagte, die sind alle ein bisschen dämlich, die Schwestern im Aufwachzimmer - sehen nicht, was vor ihrer Nase passiert?
    Er nahm den Deckel herunter und fand ein einzelnes elliptisches Stück Haut, gebleicht und runzlig vom Formalin. Er brachte den Behälter zurück und wanderte mit dem Finger über die Reihen, bis er zum Abschnitt M kam. Mahoney, Lucy. Er trug den Behälter zum Tisch, öffnete ihn und fand das letzte Teil des Puzzles.
    Ein Stück von Lucy, das es nicht mehr bis zum Obduktionstisch geschafft hatte. Ein Stück ihres Schamhügels. Die Haare hingen noch daran.
    Jahr um Jahr um Jahr war dies Tanners Geheimnis gewesen.
    Jahrelang, unter raffinierten Winkelzügen, denen man niemals auf die Spur kommen würde, hatte er die Haut von Frauen gestohlen, die er operierte.
     

60
    Caffery hörte den Wagen von Weitem kommen. Er stellte die Behälter zurück, verließ leise den Raum und schloss die Tür hinter sich. Er fegte die Metallspäne mit dem Fuß zur Seite und trat aus der Haustür, als ein makelloser blauer Mercedes in der Einfahrt heranglitt. Ein 500er AMG mit allen Schikanen.
    Caffery wusste nicht, ob er beim Herauskommen gesehen worden war, und ging vom Haus weg in die Sonne. Der Mercedes hielt an. Einen Augenblick lang geschah nichts, dann öffnete sich die Fahrertür, und ein kleiner Mann mit graumeliertem Haar stieg aus. Er war um die fünfzig und eher unauffällig bis auf den seltsamen Kittel, den er trug - mit Schultersattel und aus blauem, gebleichtem Jeansstoff, ein Kleidungsstück, wie es ein Maler in den siebziger Jahren hätte tragen können. Vorn waren ein paar feuchte Flecken zu sehen.
    »Georges Tanner?«
    Der Mann warf einen Blick zurück zur Straße und sah dann Caffery an. »Wer möchte das wissen?«
    Caffery hielt seinen Ausweis hoch. »Inspector Jack Caffery.«
    Tanner antwortete nicht gleich. Er schloss die Augen und öffnete sie wieder, als machte er ein Foto von Caffery. Dann hellte seine Miene sich unvermittelt auf. »Wo sind nur meine Manieren?« Er strich sich mit einer kalkweißen Hand das Haar aus dem Gesicht. »Bitte treten Sie doch ein.« Er schlug die Wagentür zu, zog einen Schlüssel aus der Tasche, ging zum Haus und öffnete die Tür weit. Er lächelte. »Ich mache Ihnen einen Kaffee.«
    Caffery steckte den Ausweis wieder ein und folgte ihm. Während Tanner sich in einer Ecke seines Büros an einer Kaffeemaschine zu schaffen machte, ging Caffery zu einem Ohrensessel und rückte ihn ein wenig herum, sodass er dreierlei im Blick behalten konnte: Tanner, der jetzt zwei Pads in die Maschine legte und den Kaffee in zwei Tassen laufen ließ, und die beiden Türen, die des Büros und die vor dem Raum mit den Kühlschränken, wo das zerbrochene Vorhängeschloss auf dem Boden lag.
    »So«, sagte Tanner freundlich und kam mit dem Kaffee herüber. »Sie haben mich ja

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