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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Infrarotstrahl. Sofort begann das Rotlicht zu blitzen. Die Schalttafel saß normalerweise gleich hinter und über der Batterie, also zerstörte man am besten beides. Er legte den Bohrer an die Box und stemmte sich dagegen. Gekräuselte Metallspäne flogen durch die Gegend; der Bohrer drang mühelos durch die Frontplatte und in das Innenleben der Box. Die Maschine bäumte sich in seinen Händen auf und ratterte alles zerstörend in der Box herum. Die Sirene heulte auf, ohrenbetäubend, zwei Sekunden lang, und dann hatte der Bohrer die Schalttafel gefunden. Er arbeitete sich hinein, und das Geheul verstummte jäh.
    Die Stille klang ihm in den Ohren. Er packte die Kette vor der Tür und rüttelte daran. Die Tür war nicht nur durch das Vorhängeschloss gesichert, sondern außerdem durch vier verschließbare Riegel. Er ging zurück in das Büro und öffnete alle Schreibtischschubladen. Die oberste war verschlossen, und er benutzte noch einmal die Bohrmaschine. Es kümmerte ihn wenig, was Powers zu den Schadenersatzansprüchen sagte, die Tanner vielleicht stellen würde; er steckte jetzt schon bis über beide Ohren in Schwierigkeiten, und allein die Alarmanlage würde ihm ein Disziplinarverfahren einbringen. Wenn schon, denn schon.
    In der Schublade lagen Schlüssel, und sie passten zu den Riegeln. Noch eine Lektion in Sicherheitsmaßnahmen, Mr. Tanner. Das Vorhängeschloss bereitete keine Schwierigkeiten: Dreißig Sekunden lang mit Rohrvereiser eingesprüht, das Stemmeisen hineingeschoben, und eine richtige Drehung ließ es in vier Teile zerspringen. Er öffnete die Tür.
    Kaum hatte er den dunklen Raum betreten, als ihm ein übler Geruch in die Nase drang. Ein Geruch, den er aus dem Leichenschauhaus und dem Bestattungsinstitut kannte. Ein Geruch, der ihm die Kehle zuschnürte. Formalin.
    Er zog die Tür hinter sich zu und schloss sie sicherheitshalber ab. Im Halbdunkel sah er verschiedene Umrisse: zur Linken eine Reihe von Kühlschränken, die bis zur Decke reichten, auf der rechten Seite eine massive Werkbank wie aus einem altmodischen Schullabor. Am anderen Ende stand eine Tür einen Spaltbreit offen. Er ging hinüber und spähte hindurch. Dahinter lag ein enges Treppenhaus, das gewunden zum Tageslicht hinaufführte. Er lauschte, aber er hörte nichts von oben; also zog er die Tür zu, verschluss auch sie und schaltete die Deckenbeleuchtung ein.
    Es war eine Leuchtstoffröhre, und sie war zu hell für die Größe des Raums - als brauchte man für die Arbeit, die hier getan wurde, besonders gutes Licht. Die Kühlschränke standen an der Wand rechts von ihm. Die Wand vor ihm war von medizinischen Schaubildern bedeckt, lauter Darstellungen von Haut unter verschiedenen Aspekten. Auf einem sah man die Schweißdrüsen des Körpers in roter Farbe auf den grauschwarzen, geschlechtslosen Umrissen eines menschlichen Körpers. Ein anderes zeigte das Innere einer mit einem Haken hochgehobenen Haut: die Dermis, die Epidermis, das subkutane Fett, die Erektormuskeln der Haare und die Blutgefäße.
    Aber was er am Rande seines Gesichtsfelds auf der Werkbank liegen sah, löste einen Adrenalinstoß aus.
    Werkzeuge und andere Gerätschaften lagen dort nebeneinander in einem klaren Muster geordnet, als warteten sie auf ihren Einsatz. Er erkannte ein paar Gerberwerkzeuge - Häute- und Ausfleischmesser, einen kleinen Fleischerhaken -, aber andere hatte er noch nie zu Gesicht bekommen. Sie sahen aus wie spezielle chirurgische Instrumente. In der Mitte befanden sich mehrere Blöcke mit Zapfen darin, wie man sie benutzte, um eine Tierhaut aufzuspannen. Eine Tierhaut.
    Der gehäutete Hund im Steinbruchsee. Arnos Chipeta hatte nichts damit zu tun.
    Ich komme dir näher, mein Freund. Ich kann dich fühlen. Ich bin schon ganz nah.
    Er ging ein paar Schritte weiter und öffnete einen Kühlschrank. Die Tür gab mit leisem Vakuumzischen nach, und kalte Luft wehte ihm entgegen. Er schaute hinein. Die Regale waren voll von luftdichten Behältern, die aussahen wie Tupperware-Sandwichdosen. Alle waren etikettiert, und durch die Seitenwände konnte er eine braune Flüssigkeit erkennen, die von der Bewegung der Tür leicht hin und her schwappte.
    Er nahm einen heraus, der kalt und ein bisschen klebrig war und nach Formalin roch. Auf dem Deckel war mit Klebstreifen das Foto einer jungen Frau befestigt. Im ersten Augenblick dachte Caffery, sie sei tot. Sie lag auf dem Rücken - die Kamera hatte sie von oben aufgenommen, wie man manchmal Tote im

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