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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Ahle. Tanner, der ihn ruhig anstarrte. Der Teller mit den Keksen. Der Schlag mit dem Griff an seine Schläfe. Blut auf dem Sofa.
    Er betastete zittrig seinen Oberkörper. Das Funkgerät war weg. Auch das Telefon. Kein Telefon, kein Schlagstock, keine Brieftasche, kein CS-Gas, kein Schweizer Messer, keine Handschellen. Er besaß nichts als seine Uhr. Blinzelnd schaute er im Halbdunkel auf das Zifferblatt. Halb drei Uhr nachmittags. Er war drei Stunden bewusstlos gewesen. Bei seinem unregelmäßigen Erscheinen im Büro würde sich wahrscheinlich bis zum Abend niemand fragen, wo er sich eigentlich rumtrieb.
    Allmählich verging das Schwindelgefühl in seinem Kopf, und der verschwommene Lichtfleck gewann Form und Perspektive. Er spitzte die Ohren, um zu hören, was draußen vorging. Zuerst nahm er überhaupt nichts wahr, nur die Stille und das Echo seines eigenen Atems. Dann hörte er einen Vogel singen, und in der Ferne tuckerte ein Traktor. Er schnupperte wieder. Ein scharfer, irgendwie alter Geruch, beinahe süß unter der Bitterkeit von Blut und Schweiß.
    Und dann wusste er, wo er sich befand.
    Er lag in Tanners Sickergrube.
    Mit schmerzlich verzogenem Gesicht stützte er sich auf die Ellbogen und blinzelte umher. Die Grube war leer und wahrscheinlich seit Jahren unbenutzt, aber man konnte noch riechen, wozu sie einmal gedient hatte. Das schlierige Licht über ihm war Tageslicht, das durch die Ritzen an der Einstiegsluke sickerte; an der Wand führte eine Leiter hinauf und rechts davon ein großes Rohr von der Decke herunter; vermutlich diente es zum Absaugen der Gülle, die dann auf die sandigen Sickerfelder abtransportiert wurde. In Kopfhöhe zog sich ein rund dreißig Zentimeter breiter Streifen von gelblicher Schmiere um die Wand. Caffery blieb noch eine Weile liegen; er ignorierte das Pochen in seinem Schädel und betrachtete den Schachtdeckel, als taxierte er einen Gegner.
    Er zählte bis drei und stemmte sich dann auf sein gesundes Bein. Zittrig und ohne den rechten Fuß zu belasten, humpelte er zu der Leiter und stieg ein paar Sprossen hinauf. Er hakte das unverletzte Bein über die Leitersprosse, wischte sich mit dem Handrücken über den Mund, biss die Zähne zusammen und streckte die Arme nach oben. Mit beiden Händen drückte er gegen den Schachtdeckel. Der Deckel hob sich mit leisem Knirschen, aber dann ging es nicht weiter. Er stemmte sich noch einmal dagegen. Das Ding rührte sich nicht. Noch einmal. Nichts.
    Schwer atmend hing er an der Leiter. Solche Schachtdeckel waren oft verrostet und mussten mit dem Vorschlaghammer bearbeitet werden, aber es gab keinen anderen Weg in die Sickergrube. Nur dort konnte Tanner ihn hier hereingeschafft haben; also musste er kürzlich noch offen gewesen sein. Er fuhr mit den Händen um den Rand und versuchte, dieses Rätsel zu ergründen. Er ertastete einen Klumpen, ein dreieckiges Stück Metall: die Spitze des Dreiecks in der Mitte des Riegels. Der Deckel war mit einem Schieberiegel verschlossen. Normalerweise musste der Mechanismus sich an der Unterseite befinden, aber Tanner hatte den Deckel umgedreht und von oben verriegelt. Dieser Scheißkerl. Es war unmöglich, den Riegel von unten ohne Werkzeug zu öffnen.
    Er nahm das Bein von der Sprosse, stieg wieder hinunter und tastete auf dem unebenen Boden umher. Er bestand aus einer Mischung aus unbehauenem Stein und Schotter, bedeckt von einer verhärteten Schicht aus Schmiere und Toilettenpapier, auf der weiches Moos und ein wenig Unkraut wuchs. Er glitt mit den Fingern darüber und fand zwei verrostete alte Schrauben und Reste von einer Lebensmittelverpackung - wahrscheinlich hier hereingeweht, als man die Grube stilllegte. Und da war ein langes, dünnes Röhrchen. Hartplastik oder Perspex, dicker als eine Stricknadel, aber dünner als ein Rosenstiel.
    Eine Perspex-Kanüle?
    Er fand noch eine. Und noch eine. Dicht beieinander, dort, wo er gelegen hatte. Sie berührten sich mit dem leisen Klingen eines Windglockenspiels. Er setzte sich hin und drehte das Handgelenk so, dass das mattgrüne Fluoreszieren seiner Armbanduhr die Röhrchen beleuchtete. Die Enden waren dunkel und klebrig von Blut. Er drehte sie hin und her und versuchte, ihre Funktion zu ergründen. Das Blut war frisch. Es war sein Blut. Ohne Zweifel. Aber warum?
    Er lehnte die Röhren in der Ecke an die Wand, wo er sie wiederfinden würde, stand auf und schlug mit dem Handballen gegen das Absaugrohr am Rand des Schachtes. Er hörte das leise Rascheln

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