Haut
er jetzt darüber nachdachte, erinnerte er sich sogar daran, dass er ein paar Tage zuvor an dieser Ortschaft vorbeigefahren war. Adrenalin schoss durch seine Adern, als er die Straße verließ, zu dem Bungalow hinauffuhr und hinter dem Streifenwagen parkte, der davor stand. Ob auch Misty Kitson auf Tanners Liste gestanden hatte? Nein, nie im Leben. Das wäre wirklich allzu einfach. Oder?
Eins nach dem anderen. Erst der Einbruch, dann nachdenken über Misty. Er sah sich um. Die Wagen der Spurensicherung standen aufgereiht unten an der Straße, und ein paar Nachbarn lungerten im Dunkeln herum und versuchten einen Blick auf das zu erhaschen, was im Haus vorging. Jemand hatte Sichtblenden vor die Haustür gestellt; vielleicht waren die Dorfbewohner gerade deshalb so interessiert.
Er hatte eine Antibiotikaspritze und ein paar Tramadol- und Codein-Tabletten aus der Krankenhausapotheke bekommen. Davon würde er allerdings einschlafen; deshalb blieb er vorläufig bei Ibuprofen 400 und Paracetamol. In einem seltenen Anfall von Professionalität war er an seinem Cottage vorbeigefahren und hatte seinen Anzug für die Spurensicherung in eine Tasche gestopft. Jetzt trug er eine schwarze Jeans und eine schwarze Thermojacke aus Nylon, aber sein Hinken war unübersehbar, ebenso wie die angeschwollene Nase und sein schmerzverzerrtes Gesicht beim Auftreten. Der Officer der District Police, der ihn im Haus erwartet hatte, kam ihm entgegen und streckte instinktiv die Hände aus, um ihn zu stützen.
»Schon gut.« Caffery schüttelte den Kopf. »Alles okay.«
Er zog die Handschuhe an, die ein Kriminaltechniker ihm reichte, und folgte dem Polizisten über die Trittplatten in das kleine, erleuchtete Esszimmer, wo ein untersetzter, stämmiger Mann in einem grauen Polohemd an einem blank polierten Eichentisch saß. Er wandte Caffery sein Profil zu, das Kinn auf die Faust gestützt, die Lippen vorgeschoben. Vor ihm auf dem Tisch stand ein Messingteleskop.
»Mrs. Lindermilks Sohn«, erklärte der Polizist leise. »Steve. Ich glaube, die Realität holt ihn jetzt erst ein.«
»Kommen Sie zurecht, Kumpel?« Caffery blieb in der Tür stehen. »Alles okay mit Ihnen?«
Steve Lindermilk war sehr rot im Gesicht. »Eher nicht. Ich hätte etwas tun müssen. Ich hab's nicht kommen sehen.«
»Hat man Sie gefragt, ob Sie mit einer Angehörigenbetreuerin sprechen möchten?«
»Hat man, ja. Brauch ich nicht.«
»Aber sie steht zur Verfügung. Sie können sich's jederzeit anders überlegen.«
»Nein danke. Aber könnte irgendjemand mit den Nachbarn reden? Die da draußen stehen und gaffen?«
»Ja, natürlich.«
Caffery warf einen Blick durch die Diele auf das gelbe Absperrband vor der Tür zum Wohnzimmer. Dann wandte er sich wieder Lindermilk zu. »Sie wissen, warum ich hier bin?«
»Um mir Fragen zu stellen?«
»Und um mir das Haus anzusehen. Wir müssen herausfinden, ob der Einbruch etwas mit ihrem Tod zu tun hatte.« Trotz der Tabletten hatte Caffery mörderische Schmerzen in Kopf und Bein. »Verstehen Sie das?«
Lindermilk nickte.
»Ist Ihnen das recht?«
»Ist mir recht, ja.« Er stand auf und folgte Caffery über die Trittplatten. An der Wohnzimmertür blieben sie stehen, beugten sich über das Absperrband und spähten ins Zimmer - wie Touristen bei einer Schlossbesichtigung. Caffery hatte zwar schon den Eindruck, dass Ruth Lindermilk keine gute Hausfrau gewesen war, aber das hier war doch noch etwas anderes:
Jeder Schrank, jedes Regalbord war leer gefegt, und alles lag auf dem Boden verstreut. Ein wütender Einbrecher? Aber die nahmen sich normalerweise mehr Zeit und schissen auf den Boden. Oder in die Betten. Hier sah es eher so aus, als hätte jemand etwas gesucht. In der Küche stand ein Fenster offen; die Riegel waren aufgestemmt worden. Es wirkte professionell. Eine Katze sprang draußen auf das Fenstersims und erstarrte, als sie die Besucher sah. Einen Moment lang balancierte sie auf vier Pfoten und guckte zu ihnen herein.
»Sehen Sie sich das an«, grunzte Lindermilk. »Meine Mum hat sie zu diesem Benehmen ermuntert. Gab fast keine Grenzen für sie.«
»Wann waren Sie das letzte Mal hier?«
»Vor zwei Tagen.«
»Und da sah es hier nicht so aus, nehme ich an?«
»Verdammt, nein«, sagte Lindermilk. »Die Bilder an der Wand - die mit den Tieren -, das war der Grund, weshalb die Leute hier so sauer auf sie waren. Wundert mich, dass sie die nicht abgenommen haben, wenn es einer von ihnen war.«
»Wir gehen jeder Möglichkeit
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