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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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Deshalb waren die Nachbarn so stinkig.«
    Aber Caffery hörte nicht mehr zu. Draußen im Garten, wo die schwarzen Silhouetten der Bäume sich vom Nachthimmel abhoben, hatte sich etwas bewegt. Er ging zum Fenster und spähte hinaus; er vermied es sorgfältig, die Scheibe zu berühren, obwohl sie von seinem Atem beschlug. Er hatte die Bewegung nur aus dem Augenwinkel wahrgenommen. Aber es war nicht das Spiegelbild von jemandem hier im Zimmer gewesen, sondern etwas anderes. Jemand befand sich im Garten.
    Einen Augenblick lang stand er nur da und dachte an die Dunkelheit dort draußen, dachte an die meilenweite Landschaft, durch die alles Mögliche kriechen konnte, dachte an die Straße, die zur Klinik führte und an die Stelle, an der er und der Walking Man gesessen und Bewegungen in den Bäumen gesehen hatten. Er dachte an das blecherne Geräusch des kleinen Motorrollers, der knatternd auf der Landstraße davonfuhr. Und dann dachte er daran, wie er selbst vielleicht wirkte, wenn man ihn von draußen am Fenster stehen sah, mit ernstem Gesicht, beleuchtet von hinten und von der Seite.
    »Sir«, sagte Lindermilk, »kann ich Sie was fragen?«
    Abwesend drehte er sich um. »Was?«
    Lindermilk hielt die Fotos hoch. »Kann ich die auch mitnehmen? Und die von den Wänden unten?«
    Cafferys Blick wanderte wieder zum Fenster. Was war da draußen gewesen? Nicht viel mehr als ein heller Schimmer, aber ihm war, als hätte er Augen gesehen.
    »Sir?«
    »Ja.« Er drehte sich nicht um. »Von mir aus.«
    Er wandte sich vom Fenster ab, humpelte zur Tür und streckte dem District-Polizisten die Hand hin. »Danke für Ihre Hilfe, Kollege. Ich bin hier fertig. Die Spurensicherung soll alles sicherstellen, und wenn die fertig sind, machen Sie hier zu, ja?«
    Sein Bein schmerzte mehr, als ihm lieb war, aber er lief trotzdem eilig die Treppe hinunter und durch die Seitentür hinaus in die kühle, stille Nacht. Ein Duft wie von Zitronen hing in der Luft. An der Rückseite des Hauses war es dunkel. Der Rasen erstreckte sich terrassenförmig ungefähr hundert Meter weit bergab; Futterhäuschen standen wie gespenstische Skelette in der Finsternis. Dahinter sah er die Straße, die Berge und das Rapsfeld, an dem er neulich vorbeigefahren war, als er den Walking Man gesucht hatte.
    Bei den Bäumen blieb er stehen und sagte mit leiser, aber deutlicher Stimme: »Bist du da? Bist du das?«
    Er hörte sein Herz klopfen, aber das war alles.
    »Wenn du da bist - du brauchst dir keine Sorgen zu machen. Ich werde nichts sagen. Ich werde dich nicht verraten.«
    Er hielt den Atem an und lauschte, aber die einzige Antwort, die er erhielt, war ein kalter, lautloser Windhauch. Er hatte einen metallischen Geschmack im Mund, als er daran dachte, wie der Wind über die Felder herangeweht war. Er warf einen Blick zurück zum Haus, zu den Fenstern. Niemand hörte ihm zu. Niemand von der Spurensicherung stand rauchend auf der Straße. Er ging ein paar Schritte und hockte sich unter die Bäume. Der Schmerz in seinem Bein ließ blaue Blitze durch seinen Körper schießen. Er stützte sich mit den Fingerspitzen auf den kalten Boden, um das Gleichgewicht zu halten, und schaute zwischen den Bäumen hindurch.
    »Ich weiß, was du getan hast.« Er zögerte, er wusste nicht genau, wie es weitergehen sollte. Es war verrückt, hier mit den Bäumen und der Luft zu reden. »Du bist davongekommen. Aber hör zu.« Seine Stimme wurde nicht leiser. »Ich kann dir nicht mehr helfen. Von jetzt an bist du allein auf dich gestellt. So ist es eben.«
    Er wartete. Endlose Minuten vergingen, bis sein Bein so sehr schmerzte, dass er sich aufrichten musste. Er schob die Hände in die Taschen und lauschte wieder. Er wusste nicht genau, was er eigentlich erwartete: eine Bewegung, einen Atemhauch. Ein Rascheln von Laub oder klare Worte aus der Dunkelheit.
    Nichts geschah. Gar nichts. Da war nur das Rauschen des Blutes in seinem Kopf.
     

68
    Ich werde nichts sagen. Ich werde dich nicht verraten ...
    Flea kauerte wie erstarrt zwischen den Bäumen hinter dem Zylinder des Brennbohrers, den sie vom Auto heraufgeschleppt hatte, und starrte Caffery fassungslos an.
    Du bist davongekommen. Aber ich kann dir nicht mehr helfen.
    Sie rührte sich nicht. Mit halb offenem Mund lauschte sie seinen Worten die ihr das Blut gefrieren ließen. Was, zum Teufel redete er da? Was wusste er?
    Von jetzt an bist du allein auf dich gestellt. So ist es eben...
    Etwas Hohles tat sich in ihr auf. Ihr war so kalt und

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