Haut
Entscheidung des Untersuchungsrichters nichts Definitives sagen können, aber dass wir im Zusammenhang mit ihrem Tod zurzeit nach niemandem fahnden.«
Mahoney sank resigniert auf seinen Stuhl zurück. Er stützte die Ellbogen auf die Knie, ließ den Kopf hängen und starrte auf den Teppichboden. »Ich kann's nicht glauben. Ich kann einfach nicht glauben, dass es so ist.«
Caffery betrachtete ihn und dachte daran, wie es für seine eigene Mutter gewesen sein musste. Er war acht gewesen, als sein älterer Bruder Ewan aus dem Haus der Familie in South London verschwand. Seinen Leichnam hatte man nie gefunden. Es war an einem Samstagnachmittag vor mehr als dreißig Jahren passiert, und damals hatte die Metropolitan Police noch über keine Angehörigenbetreuer verfügt. Es hatte niemanden gegeben, der sich mit seiner Mum hingesetzt und gesagt hatte: »Schauen Sie, wenn Sie darüber reden möchten, dann können Sie das tun. Hier ist meine Nummer. Rufen Sie mich an, wann immer Sie wollen. Möchten Sie vielleicht eine Tasse Tee, meine Liebe?«
»Die Betreuerin wird gleich hier sein.«
»Nein, hören Sie, das kann nicht stimmen.« Mahoney hob den Kopf. Sein Gesicht war gerötet. »Wenn sie sich das angetan hat, was ist dann aus Benjy geworden?«
»Benjy?«
»Der Hund. Ich habe die Polizei ausdrücklich auf Benjy hingewiesen. Es war das Erste, was ich gesagt habe. Lucy hat ihn mitgenommen. Er muss im Wagen gewesen sein, weil sie auf dem Rücksitz Hundekuchen gefunden haben. Er ist nicht wieder aufgetaucht.«
»Mr. Mahoney, ich schlage wirklich vor, Sie sprechen darüber mit Ihrer...«
»Deshalb weiß ich, dass es nicht stimmt. Es hat sowieso alles nicht gestimmt, denn wenn sie vorgehabt hätte, sich umzubringen, hätte sie Benjy doch gar nicht mitgenommen. Sie hätte sich vorher darum gekümmert, dass er versorgt ist. Also, wo ist er jetzt?«
Caffery dachte an einen Hund. Herrenlos, verirrt, irgendwo im Gebüsch. Dachte an all die Tiere, die am Rand der Städte und Dörfer lebten. Nicht sein Problem. »Er taucht bestimmt wieder auf, Mr. Mahoney.«
»Das wäre er schon. Er hätte jemanden gefunden. Er ist ein cleveres Kerlchen. Clever und treu.«
»Mr. Mahoney, ich sage doch, ich bin hier nicht zuständig. Sie haben mein Mitgefühl, mein aufrichtiges Mitgefühl in Bezug auf das, was mit Lucy geschehen ist, und ich hoffe, Benjy kommt gesund und munter zurück. Aber...« Er legte Mahoney die Hand auf die Schulter und schaute ihm in die Augen. In diesem Job musste man vorsichtig sein. Man durfte nicht jedes Mal, wenn jemand das Pech hatte, auf dem Obduktionstisch zu landen, sein Herz öffnen. Aber man konnte sich eine Minute Zeit nehmen und an sie denken, an ihr Leben und an die kleine Rolle, die man selbst darin gespielt hatte. Also blieb er einen Augenblick lang so vor dem Mann stehen. Dann schüttelte er den Kopf und wandte sich ab. »Aber Sie müssen das mit Ihrer Betreuerin besprechen.«
Man nahm sich einen Moment Zeit, um jemandem Respekt zu erweisen. Danach musste man weitergehen. Schnell.
13
Es war acht Uhr abends, und auf Fleas Telefon befand sich nur eine Nachricht: von Jack Caffery. Sie hatte nicht zurückgerufen. Keine Lust, sich zu unterhalten. Als das Zeichen für eine eingegangene Nachricht aufleuchtete, hatte sie ihre Mailbox angerufen und abgehört. Ob sie ihn wegen der Sache, über die sie auf dem Parkplatz gesprochen hätten, zurückrufen könne. Er würde gern noch näher darauf eingehen. Natürlich meinte er ihre Brüste. Darauf wollte er gern näher eingehen. Sie setzte sich mit einem Becher Tee im Wohnzimmer in den alten Ruhesessel ihres Vaters. Ihre Glieder waren müde, und die Knochen schmerzten. Wie seltsam, dachte sie. Wie seltsam, dass sie sich noch vor wenigen Stunden in einer ganz anderen Welt befunden hatte, mit anderen Hoffnungen, anderen Ängsten.
Thom hatte nicht mehr angerufen. Achtmal hatte sie es bei ihm versucht und immer nur seine Mailbox erreicht. Mandy arbeitete in der Spätschicht und müsste längst in dem Callcenter sein, das sie leitete. Und was bedeutete das? Dass er dem Problem weiterhin auswich?
Mit Misty musste in Kürze etwas passieren. Bei dieser Wärme wäre es bald unmöglich, mit ihr zu hantieren. Ihr Körper würde sich verflüssigen. Flea hatte es schon bei einer Leiche gesehen, die nur zwei Tage in der Hitze lag. Irgendwann würde es durch den Boden des Wagens sickern. Und je länger diese Flüssigkeiten sich ausbreiteten, desto schwieriger würde es
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