Haut
hatte es nicht eingesteckt, da war sie sicher. Also, wo befand es sich?
Sie holte ihren Laptop aus seiner Tasche, schaltete ihn ein und ging zu Google Earth. Die Satellitenfotos von Farleigh Park Hall waren an einem Sommerabend aufgenommen worden. Das Gebäude und die Bäume ringsum warfen lange Schatten über die Rasenflächen. Sie nahm Bleistift und Papier, zog die Landkarte heran und verglich sie mit dem Satellitenbild. Ihr Fingernagel wanderte über das Waldgelände und den See. Pearce, der Fahndungsberater, hatte gesagt, sie hätten ein »Ping« vom Sendemast der Makrozelle bekommen. Auf dem Satellitenbild war der Mast zu sehen; sein Schatten lag über dem Feld. Auf der Computerkarte sah sie, dass er etwa eine halbe Meile weit im Norden stand. Sie skizzierte ein paar Tortensegmente, die von dem Mast ausgingen, und studierte das südöstliche. Auf dem Satellitenbild war ein kleiner weißer Lichtpunkt zu erkennen; sie zoomte heran und sah den hellen Streifen eines Wegs, der dorthin führte - zum Teich, den sie nicht hatte absuchen wollen.
Sie klappte den Laptop zu, lehnte sich zurück und nahm die Karte in die Hand. Mistys Telefon hatte sein letztes Signal in dieser Sechzig-Grad-Zelle abgegeben, aber es war nicht zu erkennen, ob sie ein paar Meter oder ein paar Meilen weit von dem Mast entfernt gewesen war, und folglich erstreckte sich das Gebiet, in dem sie sich aufgehalten haben konnte, über mehrere Quadratmeilen. Und wenn Misty das Telefon dann abgeschaltet hatte, konnte sie danach in ein ganz anderes Segment der Makrozelle abgewandert sein. Oder in die Zelle eines benachbarten Mastes. Sie konnte von Farleigh Park Hall nach Süden oder nach Osten gegangen sein, und das hieß, dass der Unfall auf drei verschiedenen Straßen passiert sein konnte, auf der A 36, auf der A 366 oder auf der B 3110, aber auch auf einer der zahllosen kleinen C-Straßen, die sich in dieser Gegend kreuz und quer durch die Felder zogen. Flea kratzte sich am Kopf. Da waren endlose Meilen abzusuchen. Und sie hatte gedacht, sie sei der Polizei voraus, weil sie immerhin wusste, dass Misty auf einer Straße gewesen war.
Sie hatte vielleicht zehn Minuten so dagesessen und auf die Karte gestarrt, während das Eis in ihrem Gin Tonic schmolz, als ihr plötzlich etwas einfiel. Sie dachte an Lucy Mahoney. An ihre Leiche, die gestern in den Sack gewandert war, und daran, wie ihre Schuhe ausgesehen hatten.
Sie nahm einen Gefrierbeutel aus der Schublade, holte ihre Latexhandschuhe aus der Garderobe und eine Pinzette von ihrer Frisierkommode.
In der Garage war es schwül, obwohl der Ventilator in der Ecke leise surrte. Jetzt, da der Leichnam gekühlt und die Kofferraumverkleidung entsorgt war, hatte sich der Geruch bis auf einen unangenehmen Rest verflüchtigt; es war, als hätte jemand einen Sack Müll in der Garage vergessen. Sie zog die Handschuhe an, setzte die Maske auf und ging zur Badewanne. Gleich beim Hereinkommen hatte sie das Eis erneuert, und jetzt war die Plastikplane milchig beschlagen, als würde Misty darunter atmen. An manchen Stellen war sie zu sehen: ein grünes Stück Stoff unter dem Plastik, ein stumpfgelbes, kreisrundes Stück Haut, wo ihr Handgelenk die Plane berührte, und irgendwo unter allem die Andeutung von blonden Haaren.
»Ich bin's. Nur ich. Ich muss dich bewegen.«
Sie packte das untere Ende des Kokons und zerrte es heraus, sodass Mistys Füße auf dem Rand der Wanne lagen. Eiswasser schwappte heraus und spritzte klatschend auf den Boden. Mit schnellen Bewegungen schnitt sie den Kabelbinder auf und schlug die Plastikplane auseinander. Die Innenseite war mit halbgefrorenem braunem Schlamm verschmiert. Die Füße in den silbernen Sandalen waren kalt und hart.
Sie umfasste die eine Ferse mit der Hand, hob den Fuß hoch und inspizierte den Schuh. Die hohen Absätze hatten Gras, Lehm und Vegetationsfetzen aufgespießt. Sehr, sehr vorsichtig entfernte sie ein wenig davon mit der Pinzette und warf es in den Gefrierbeutel. Sie atmete durch den Mund, als sie den anderen Fuß anhob und auch dort mit der Pinzette etwas von dem angesammelten Material abnahm. Sie achtete darauf, möglichst viele verschiedene Arten von Blattwerk und Erde zu erwischen.
»Danke, Misty.« Sie packte die Füße wieder ein und ließ die Leiche in die Wanne zurückgleiten. Gott, es war furchtbar. »Ich werde dich nicht mehr stören.«
Als sie wieder in die Küche kam, ging die Sonne unter. Die Schränke und Wände leuchteten golden wie im
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