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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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dunklen Nacht, und wenn sie hier nicht am Boden gehockt hätte, wäre es ihr sicher entgangen, dachte sie. Sie legte den Kerbelzweig auf ihre Knie, fischte einen Gefrierbeutel aus dem Rucksack und ließ die Blutkrümel hineinrieseln. Dann brach sie den Kerbelzweig entzwei und schob ihn ebenfalls in den Beutel. Sie streifte sich den Handschuh wieder über und schlurfte in der Hocke vorwärts. Vorsichtig schob sie die Hand zwischen Holunder- und Weißdornwurzeln durch das Gras.
    Mistys Telefon.
    Sie löste es aus dem Gestrüpp und nahm es in beide Hände. Es war ein Nokia mit einem diamantenbesetzten Edelstahlgehäuse, genau wie auf den polizeilichen Fahndungsfotos. Wo war der Ein-und-Aus-Schalter? An ihrem eigenen Handy musste man die Abbruchtaste gedrückt halten, damit es zum Leben erwachte. Dieses hier verfügte am oberen Gehäuserand über eine kleine, eingelassene Taste und drei weitere an der Seite. Jede dieser Tasten könnte das Gerät einschalten. Und sofort würde es ein Signal an die Mobilfunkmasten senden.
    Sie durfte es nicht fallen lassen. Sie durfte es nicht zurücklassen. Der Akku. Sie musste den Akku herausnehmen. Sie hatte gehört, dass manche Telefone eine GPS-Technologie enthielten, die auch dann aktiv blieb, wenn man sie ausschaltete. Oder war sie nur dann aktiv? Flea wusste es nicht mehr. Nein. Wenn es ein GPS-Handy gewesen wäre, hätte die Polizei es schon längst gefunden. Es war ungefährlich, den Akku herauszunehmen. Ganz bestimmt.
    Sie drehte das Handy um und schob einen Fingernagel unter die Abdeckung. Dann hörte sie ein Auto. Es näherte sich schnell durch den Wald hinter ihr.
    Sie riss die Taschenlampe an sich und schlich sich halb kriechend in den Schatten eines großen Ahorns. Schon fiel das Licht der Scheinwerfer unter das Laubdach der Bäume. Sie krümmte sich um die Taschenlampe und machte sich so klein wie möglich. Ihre Knie bohrten sich in die Erde.
    Das Scheinwerferlicht strich über die Hecke neben ihr. Sie drückte das Kinn an die Brust, und Telefon und Taschenlampe pressten sich hart aneinander. Das Auto brauste vorbei und verschwand.
    Flea richtete sich kniend auf und untersuchte das Telefon. Es war dunkel geblieben; sie hatte es nicht versehentlich eingeschaltet. Sie atmete tief aus, lehnte sich mit dem Rücken an den Baumstamm und sah ein einzelnes, vom Mondlicht erfasstes Haar in der Luft über den Reifenspuren. Wie eine Feder im Wind schwebte es weiß und kraus in einer schaukelnden Bewegung langsam zu Boden.
    Sie kannte den Kopf, von dem es stammte. Es gehörte Misty Kitson. Nicht der lebenden, die mit offenen Augen über diese stille Straße wanderte, ihre Handtasche und ihr Handy umklammernd, sondern der endgültig schweigenden, die zehn Meilen von hier versteckt in einer Badewanne lag.
     
     

26
    Es war nach Mitternacht. Caffery holte zwei Krüge Cider aus der Speisekammer, zog seine RAB-Outdoor-Jacke an, verschloss das Haus und stieg in den Wagen. Er drehte das Radio laut auf und fuhr los, ohne sich zu überlegen, wohin. Sein Instinkt führte ihn auf die kleinen Landstraßen, die sich um die Mendip Hills herum und weiter nach Osten schlängelten, fast bis Wiltshire. An jedem Feld, an dem er vorbeifuhr, und an jeder Einmündung nahm er den Fuß vom Gas, reckte den Hals und spähte über die Hecken. Aber er entdeckte nichts - keinen roten Feuerschein, keine flackernden Flammen in der Dunkelheit.
    Als Caffery die Metropolitan Police verlassen hatte, war er aus einem bestimmten Grund nach Bristol gegangen: um die Person aufzuspüren, die unter dem Namen Walking Man bekannt war. Der Walking Man war dafür verurteilt worden, dass er einen Pädophilen namens Craig Evans, den Mörder seiner Tochter, gefoltert hatte. In Cafferys Augen verband ihn dieses Detail mit dem Walking Man, denn wenn ihm etwas vertraut war, dann das Gefühl der Rache. Ivan Penderecki, der alte polnische Pädophile, der auf der anderen Seite der Bahnlinie hinter dem Haus der Cafferys gewohnt hatte, war davongekommen, nachdem er Ewan Caffery ermordet und seine Leiche versteckt hatte, und dieses Wissen hatte jahrelang in Jacks Seele geschwärt. Und als Penderecki gestorben war, hatten ihn auch weiterhin Rachegelüste gequält.
    Also war er hergekommen, um einen zu finden, der sich gerächt hatte, wie er sich an Penderecki hätte rächen wollen. Was er nicht erwartet hatte war diese seltsame Freundschaft, die sich anscheinend zwischen ihm und dem Walking Man entwickelte.
    Er fuhr jetzt auf einer

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