Haut
Lampe hin und her über Baumstämme, Gras und Asphalt.
Und dann blieb sie stehen.
Ungefähr fünf Meter weit rechts von ihr bemerkte sie eine deutliche, klar umrissene Reifenspur auf der Straße.
Sie starrte sie an, und ihr Herz schlug schneller. Die Spur sah so perfekt aus, dass sie sich beinahe umgeschaut hätte, um herauszufinden, ob da jemand war, der sich einen Spaß mit ihr machen wollte und grinsend ihre Reaktion verfolgte.
Langsam ging sie hin und leuchtete die schwarzen Streifen mit der Lampe an. Sie waren leicht zur Straßenmitte hin gekrümmt, als hätte jemand in einem Ausweichmanöver das Steuer herumgerissen. Mit vorsichtigen Schritten lief sie an der Spur entlang. Sie war ungefähr zwölf Meter lang und reichte etwa einen Meter weit in die Gegenfahrbahn hinein.
Flea atmete hörbar. Der Radstand war nicht zu breit, nicht zu schmal - sie hätte gewettet, dass es ein kleiner Personenwagen gewesen war. Ein Focus vielleicht. Wenn Thom diese Spur hinterlassen hatte, musste er aus östlicher Richtung gekommen sein. Misty musste auf diesem Fahrstreifen unterwegs gewesen sein, auf der dem Rapsfeld gegenüberliegenden Straßenseite. Thom konnte sie aus mindestens fünfzig Metern Entfernung gesehen, aber nicht schnell genug reagiert haben; er hatte an dem Abend zwei Flaschen Rotwein getrunken. Er war auf die Bremse gestiegen und hatte sie ungefähr hier auf der Mittelmarkierung erwischt. Misty war über das Dach geschleudert worden und wahrscheinlich - die Beule befand sich auf dem Dach über der Fahrerseite - vom Wagen herunter auf die Gegenfahrbahn oder den gegenüberliegenden Straßenrand gefallen.
Flea richtete die Lampe auf den Boden und suchte den Asphalt ab. Hier blinkte eine Glasscherbe, dort lag ein Fetzen Kaugummipapier. Da, wo das Gras vom Straßenrand über den Asphalt hing, sah sie eine pinkfarbene Haarspange. Sie hatte sich ein wenig in den Asphalt gedrückt, als er von der Sonne weichgeworden war. Vielleicht stammte sie von einem Kind, einem kleinen Mädchen, vielleicht gehörte sie aber auch Misty Kitson.
Flea nahm den Rucksack ab und zog die Handschuhe und einen Gefrierbeutel heraus. Schnell, bevor ein Auto auftauchen konnte, kauerte sie sich an den Straßenrand und stocherte die Spange mit einem Nagel aus dem Asphalt. Bei näherer Betrachtung sah sie eher aus, als gehörte sie einem Kind. Sie schob sie trotzdem in den Gefrierbeutel. Dann stach ihr etwas anderes ins Auge.
Etwa einen Schritt weit links von ihr sah das Gras am Straßenrand eingedrückt aus. Was immer die Mulde hinterlassen hatte, musste groß und schwer gewesen sein. Nicht so groß wie ein Reh, aber größer als ein Dachs. Die Grashalme waren auf einer fast kreisrunden Fläche geknickt, als hätte sich da etwas hingelegt und ein Nickerchen gemacht. Oberhalb davon, zwischen Straßenrand und Rapsfeld, zog sich eine niedrige Feldsteinmauer entlang. Aus der obersten Reihe hatten sich vier Steine gelöst; einer ragte kippelig über das Feld, als würde er jeden Moment herunterfallen.
Flea blieb in der Hocke und schwenkte die Taschenlampe im Kreis herum. Der Wiesenkerbel an der Mauer war zerdrückt und von etwas Dunklem überzogen: die Köpfe hingen schlaff herunter. Sie achtete sorgfältig darauf, die flache Mulde nicht zu berühren, als sie eine Pflanze abriss, um sie zu inspizieren. In diesem Licht war nicht genau zu erkennen, was sie da gefunden hatte, aber als sie die Lampe beiseitelegte, mit den Zähnen den Handschuh auszog und mit dem Fingernagel am Stiel der Pflanze entlangschabte, blätterte der dunkle Überzug ab und fiel ihr in die hohle Hand.
Blut. Sie kannte seine Eigenschaften und sein Verhalten nur zu gut. Es war getrocknetes Blut. Hier also, an diesem wenig bemerkenswerten Straßenrand, war Mistys Leben zu Ende gegangen.
Ein Bild trat ihr vor Augen: Thom, wie er mit schreckensstarrem Gesicht aus dem Wagen sprang. Seine Panik. Ganz sicher war er in Panik geraten, als er die zerschmetterte Gestalt am Straßenrand gesehen hatte. Seine Tränen, als er Misty aufhob und in den Kofferraum legte. Ihre Handtasche musste auf der Straße gelegen haben, irgendwo da vorn, mit glitzernden Pailletten. Er hatte sie ebenfalls aufgehoben und ...
Flea hockte am Straßenrand, den Wiesenkerbel in der einen Hand, die trockenen Blutkrümel in der anderen, den Latexhandschuh zwischen den Zähnen, als sie plötzlich erstarrte. Da lag etwas im Gras, links neben ihr. Etwas Kleines, das im Mondlicht matt metallisch glänzte. In einer
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