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Haut

Haut

Titel: Haut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mo Hayder
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jemand eine Tür geöffnet und sich hereingeschlichen hatte, ohne dass er es bemerkte? Oder im Bad? Er legte die Schere auf den Nachttisch und stand auf. Die Flasche hielt er immer noch vor sich.
    Ein Geräusch. Unten. Die Haustür wurde verstohlen geöffnet. Nur ein winziges Knarren. Aber es genügte. Er war gerade noch rechtzeitig oben an der Treppe, um zu sehen, wie ein Schatten, ein Schemen, der ein wenig dunkler wirkte als seine Umgebung, zur Haustür hinausschlüpfte.
    Er stürmte die Treppe hinunter, nahm immer zwei Stufen auf einmal, riss die Tür auf und rannte barfuß hinaus. Der Mond war hinter den Wolken verschwunden, und so weit draußen in den Mendips gab es keine Straßenbeleuchtung. Der Garten lag im Dunkeln. Mitten in der Einfahrt blieb er stehen, die Flasche in der erhobenen Hand, und lauschte. Aus dem Wald zur Rechten kamen die gespenstischen Rufe zweier Eulen, die sich gegenseitig das Revier streitig machten. Irgendwo hinter den Bäumen auf der linken Seite plätscherte der Bach, der am Ende des Gartens vorbeifloß, und weit, weit weg im Norden hörte er den Höllenlärm eines Flugzeugs im Anflug auf Bristol. Sonst nichts. Kein Motorroller. Keine Schritte.
    Der Autoschlüssel lag im Wohnzimmer. Er ging ins Haus und holte ihn. Als er wieder herauskam, war es im Garten immer noch still. Er nahm die .45er Hardballer aus dem Handschuhfach und schlug die Wagentür zu. Lauschte wieder. Da war etwas am Ende der Einfahrt, das er vorhin nicht gesehen hatte. Ungefähr zehn Meter weit vor ihm. Etwas Ungewöhnliches in der Dunkelheit. Ein Lichtfleck, wo keiner sein sollte.
    Er rammte das Magazin in den Griff der Pistole und senkte die Waffe; nur im Kino hielt man eine geladene Pistole in die Höhe, wo sie einem leicht aus der Hand geschlagen werden konnte. Dann tappte er auf den Fleck zu. Es war ein Gummischuh. Ein Croc. Er hob den Kopf und spähte wieder suchend in die Dunkelheit. Sah die schweigenden Bäume. Die Wand des Cottages. Er hob den Schuh auf und ging ins Haus.
    Drinnen war es dunkel. Er legte die Kette vor und ging in die Küche. Als er das Licht einschaltete, fiel ihm auf, dass zwei Schränke offen standen. Ein Beutel Reis lag auf dem Boden, der Inhalt war auf den Fliesen verstreut. Und in den Schränken, wo sich das übliche Männersortiment von Dosen, Baked Beans und Suppen befunden hatte, lauter Zeug, das er in fünf Minuten heiß machen konnte, war nichts mehr. Nur ein paar verstreute Nudeln und die weißen Rückwände. Er ging umher und sah nach, was noch alles fehlte. Lebensmittel, alles, was irgendwie essbar war. Der CD-Player auf dem Sideboard war noch da, und der tragbare Fernseher, der in seinem Karton auf dem Boden stand.
    Er stellte den Croc neben die Pistole auf den Tisch, setzte sich und stützte die Ellbogen auf. Die Farbe der Gummisandale war ein dunkles Khaki; sie war staubig und sehr groß. Er drehte sie um und warf einen Blick auf die Sohle. Größe zwölf.
    Das ist so krass, wenn ich nur dran denke. Nie im Leben geh ich mit einem Mutanten ins Bett.
    Er betrachtete seine Hände. Sie zitterten. Es reichte jetzt. Er war zu viel allein. Er musste mit jemandem reden.
     

25
    An Mistys Schuhen war Tonerde gewesen. Das hatte wahrscheinlich nicht viel zu bedeuten, aber es war das Einzige, woran sie sich halten konnte. Flea entschied sich für das Rapsfeld am Fluss.
    Wenn sie recht hatte, musste Misty von der Klinik aus in Richtung Südosten gegangen sein. Wahrscheinlich hatte sie den Weg verloren und war stundenlang, zeitweise im Dunkeln, durch schwieriges Gelände geirrt. Wenn sie noch einen Rest Orientierung gehabt hatte, als sie die Straße erreichte, war sie vermutlich in westlicher Richtung weitergegangen, um zur Klinik zurückzugelangen. Sie konnte noch nicht lange auf der Straße unterwegs gewesen sein, als der Unfall passierte: Lehm, Gras und Rapsblüten hatten noch an den Schuhen geklebt. Flea würde die ganze Straße von der Klinik aus absuchen, bis sie eine Meile weit hinter dem Rapsfeld wäre. Wenn sie nichts fände, würde sie umkehren und das Gleiche bei dem zweiten Rapsfeld versuchen.
    Sie stellte den Wagen auf dem Parkplatz vor einem Pub in Norton St. Philip ab; dort würde er nicht so schnell auffallen wie in einer Parkbucht an der Landstraße. Sie nahm einen Feldweg und ging die halbe Meile bis zur Straße, deren Lichter zur Rechten funkelten, zu Fuß. Sie erreichte das südwestliche Ende kurz vor zehn Uhr, ließ den Rucksack fallen und wühlte die Reklamebeilagen

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