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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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diese war bereits halb ausgetrunken.
    »Ich war draußen auf der Farm, Betty besuchen«, antwortete Lara und schaffte es in einer geradezu oscarreifen Darbietung, sich gelassen und normal zu geben. »Sie hat uns ganz wunderbares Gemüse mitgegeben, schau mal.« Sie hielt ihm den Korb voller Zucchini, Tomaten und Basilikum hin, den Betty ihr, kaum dass ihre Liebenswürdigkeit wieder erwacht war, aufgedrängt hatte.
    Marcus grunzte bloß.
    Lara ließ Jack bei seinem Vater, damit er ihm von den Kätzchen erzählen konnte, während sie das Gemüse in die Küche brachte. Als sie die Haustür öffnete, ließ der Verwesungsgeruch aus dem Keller sie wie angewurzelt stehen bleiben. Er war schlimmer denn je. Fest entschlossen, herauszufinden, was den Gestank verursachte, ging sie zur geheimen Tür unter der Treppe. Viel weiter allerdings kam sie nicht, denn es waren zwei neue Holzlatten über die Tür genagelt, so dass sie sich nicht mehr öffnen ließ. Als Lara sich umdrehte, sah sie mehrere Schlüssel in einem nagelneuen Schloss stecken, das jemand kunstlos, aber solide in die Haustür eingesetzt hatte. Abgesehen von ihrer Begegnung mit Stephen, war das das Beste, was ihr an diesem sehr aufreibenden Tag passiert war.
    »Bravo!«, rief sie Marcus zu, als sie in die Küche ging. Ihre Laune besserte sich noch weiter, als sie feststellte, dass die Hintertür nun oben und unten über Riegel verfügte, so dass das Haus komplett verschlossen werden konnte.
    Sie nahm sich ein Bier aus dem Kühlschrank und gesellte sich zu Marcus auf die Veranda. Zu mehreren, dachte sie, ist man sicherer.
    Jack hatte seine Erzählung beendet. Er lief über den Rasen und kickte einen Fußball vor sich her, von dem sie nicht wusste, woher er auf einmal gekommen war.
    »Danke, dass du dich um die Schlösser gekümmert hast«, sagte sie, als sie sich neben Marcus auf der Hollywoodschaukel niederließ und auf der Straße nach Verdächtigem Ausschau hielt. Im hintersten Winkel ihres Verstandes regte sich die Frage, ob es von jetzt an immer so sein würde – ständig auf der Hut.
    »Was?«, fragte Marcus ohne großes Interesse.
    »Die Türen und der Keller. Du hast mich ernst genommen!«
    »Ich doch nicht.« Marcus hob abwehrend die Hände. »So was würde ich nie tun.«
    »Aber du hast es James gegenüber erwähnt? Er muss jemanden hergeschickt haben.«
    »Möglich«, sagte Marcus, zerquetschte mit der flachen Hand einen Moskito auf seinem Arm und schnippte die blutigen Überreste auf die Veranda.
    Lara sah ihn an.
    »Was ist los mit dir?«
    »Ich habe einen ziemlichen Hals, wenn du es genau wissen willst«, erwiderte er und warf seine Kippe in einen spitzblättrigen Busch, der am Verandageländer wuchs. Dann drehte er sich mit wütendem Gesicht zu Lara um und schwieg. Sie schluckte.
    »Wieso?«, zwang sie sich zu fragen.
    »James ist auf die glorreiche Idee gekommen, im Stück das volle schottische Programm durchzuziehen. Akzent, Schottenröcke und der ganze Mist.«
    Lara war so erleichtert, dass sie sich vor Lachen beinahe an ihrem Bier verschluckt hätte.
    »Das ist nicht lustig«, sagte Marcus. »Das ist die totale Katastrophe.«
    »Ja.« Lara riss sich am Riemen. »Tut mir leid.«
    »Das ist so was von geschmacklos. Außerdem hat James überhaupt kein Gespür mehr für irgendeinen Akzent, der östlich von Maine gesprochen wird. Er merkt gar nicht, wie unglaublich schlecht die anderen Schauspieler sind. Das ist einfach nur peinlich.«
    »Kannst du ihn denn nicht davon überzeugen, dass er auf dem Holzweg ist?«
    »Was glaubst du denn?«, gab Marcus zurück. Ein Aspekt an seinem Beruf, über den er sich immer wieder beklagte, war seine vollkommene Machtlosigkeit als Schauspieler. In seinen schwärzesten Momenten sagte er immer, im Grunde sei er bloß ein sprechendes Stück Fleisch auf Beinen, dessen einzige Aufgabe es sei, zu tun, was man ihm befahl, und ansonsten den Mund zu halten.
    »Du hattest keinen besonders guten Tag, was?« Obwohl, dachte Lara, im Vergleich zu meinem …
    »Das ist nicht lustig«, sagte Marcus abermals, leerte sein Bier und warf in einer kindischen Geste die Flasche in das Gebüsch, wo sie seiner Zigarettenkippe Gesellschaft leisten konnte.
    Lara seufzte, stand auf, holte die Flasche aus dem Gebüsch und stellte sie neben die Haustür, damit sie sie später zum Glascontainer bringen konnte.
    »Allmählich sehe ich James mit anderen Augen«, fuhr Marcus fort. Er bückte sich nach einem halbleeren Sechserträger, den Lara gar

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