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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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nicht bemerkt hatte, nahm eine neue Flasche heraus und öffnete sie. »Früher dachte ich immer, ihm scheint die Sonne aus dem Arsch, aber in Wahrheit ist er einfach nur ein blöder Wichser.«
    »Wie eloquent du bist.«
    Lara setzte sich wieder neben ihn. Die tiefstehende Sonne ließ ein leuchtendes Mandarinorange in den diesigen Himmel sickern, aber die Hitze des Tages machte noch keine Anstalten, sich zu verflüchtigen. Die einzige Bewegung auf der Straße kam von mehreren schwarzweißen und gelbbraunen Vögeln, die auf dem Asphalt herumhüpften und von den Bäumen gefallene Samen aufpickten. Ohne sich durch das dumpfe Knallen von Jacks Ball stören zu lassen, wenn er ihn in die Luft schoss, zwitscherten sie einander ihr Chick-a-dee-dee zu.
    Wieder fragte sich Lara, ob jemand sie womöglich aus dem Haus gegenüber beobachtete. Bislang war es nichts als blühende Fantasie gewesen, aber jetzt war die Möglichkeit plötzlich ganz real geworden. Und was war mit den Hügeln, die um den Ort herum aufragten? Lag dort vielleicht eine heimliche Beobachterin bäuchlings im Gras, ein starkes Fernglas an die Augen gepresst? Lara suchte das Grün nach aufblitzendem Glas ab.
    »Da ist dein Freund wieder«, sagte Marcus.
    Erschrocken drehte Lara sich um.
    Es war nur Hund. Er trottete den Gartenweg entlang und ließ sich auf seinem Stammplatz auf dem Rasen in unmittelbarer Nähe der Hollywoodschaukel nieder, von wo aus Lara und Marcus ihn sehen konnten.
    Lara, der nicht wohl dabei zumute war, dass ihr appetitlicher kleiner Sohn einem Tier, das möglicherweise eine Vorliebe für Menschenfleisch hatte, so nahe kam, rannte die Stufen hinunter und riss Jack an sich.
    »Aber ich will Ball spielen«, protestierte Jack.
    »Wie wäre es stattdessen mit ein bisschen C-Beebies?«, schlug sie vor.
    »Au ja!«
    »Du solltest ihn dazu ermuntern, draußen zu spielen«, rügte Marcus, während er sich eine neue Zigarette drehte. »Und ihn nicht vor den Computer zerren.«
    »Du bist hier nicht der Einzige mit Hundeallergie«, gab Lara zurück. Sie wusste natürlich, dass Jack Antihistamine genommen hatte – aber Marcus wusste es nicht.
    »Schon gut, du hast ja recht.« Marcus hob beschwichtigend die Hände. Dann deutete er auf Hund. »Er sieht durstig aus. Hol ihm was zu trinken, wenn du drin bist.«
    Typisch Marcus, dachte Lara, für einen Hund Sympathie zu entwickeln, gerade nachdem sie möglicherweise etwas Schreckliches über ihn erfahren hatte. Sie war versucht, Marcus die Geschichte in allen Einzelheiten zu erzählen, aber dafür brachte sie im Moment nicht die Energie auf. Nicht nach dem Tag, den sie hinter sich hatte. Stattdessen holte sie, nachdem sie Jack vor den Computer gesetzt hatte, eine Schüssel Wasser für Hund.
    »Da hast du, Junge«, sagte Marcus, von der Sicherheit seines Sitzplatzes auf der Veranda aus, zu Hund. »Da hast du, kleines Bürschchen«, wiederholte er noch einmal mit schottischem Akzent. Dann legte er den Kopf in die Hände und stöhnte. »Ich will das nicht machen. Ich will nach Hause.«
    »Aber wir können jetzt nicht nach Hause fliegen!«, rief Lara zu hastig. Was würde sie verlieren? »Das hier könnte dein großer Durchbruch werden, hast du das schon vergessen? Bestimmt kannst du James davon überzeugen, dass der schottische Akzent keine gute Idee ist.«
    Marcus schüttelte den Kopf. »Er lässt nicht mit sich reden. Ich glaube, ich schmeiße einfach hin.«
    »Aber es wäre doch furchtbar, den ganzen August über zu Hause zu sitzen und nichts zu tun, nachdem wir uns so auf den Aufenthalt hier gefreut haben. Bis heute warst du doch der Ansicht, dass alles großartig läuft. Wenn es nur um den Akzent geht …«
    »Und die Schottenröcke«, fügte Marcus hinzu. Er schob die Unterlippe vor, so dass er aussah wie Jack, wenn der seinen Willen nicht bekam. »Und die Dudelsäcke.«
    »Nein.« Lara musste sich das Grinsen verkneifen. »Dudelsäcke?«
    »Ich will nicht darüber reden.«
    Nachdem Hund sein Wasser aufgeschlabbert hatte, hob er den Kopf und sah Marcus winselnd an.
    »Ich glaube, er hat Hunger«, vermutete Marcus. Lara wurde übel bei der Vorstellung, womit das Tier einst seinen Appetit gestillt haben könnte. »Hast du irgendwas zu fressen für ihn?«
    »Er sieht sofort, wer leichte Beute ist«, sagte Lara so obenhin wie möglich. Dann ging sie in die Küche, um den Kühlschrank zu durchforsten.
    Auf dem Weg zurück nach draußen rief Jack nach ihr, damit sie kam und sich ein Spiel ansah, das er auf

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