Hautnah
beobachtete. Jemand, der ihr Böses wollte. Trout Island war in einer Senke zwischen zwei Hügelketten eingeschlossen – eine Lage, die sie anfangs als malerisch empfunden hatte –, und das machte sie zu einem leichten Ziel. So musste sich Stephen in L. A. gefühlt haben. Der Arme. Er hatte so viel durchgemacht.
Sie war froh über die neuen Schlösser, wem auch immer sie sie zu verdanken hatte.
Die roten Rosen in der blauen Vase hatten ihre beste Zeit hinter sich. Sie musste sich dringend um sie kümmern. In einem halbherzigen Versuch ließ sie frisches Wasser in die Vase laufen.
Um der dunstigen Hitze der Küche zu entkommen, legte sie eine kleine Pause auf der hinteren Veranda ein. Sie setzte sich an den Rand und ließ die Beine über die Kante baumeln, so wie sie es am ersten Morgen gemacht hatte. Sie trank ihren Wein, der jetzt wieder kalt war, nachdem sie sich aus der Flasche im Kühlschrank nachgeschenkt hatte, und spürte die traurige Last des Hauses, eingekeilt zwischen ihr und der aufgesetzten Fröhlichkeit vorn. Die Anhöhe hinter dem Haus lag im Dämmerlicht, und zum ersten Mal an diesem Abend fragte sich Lara, wo Olly und Bella wohl stecken mochten.
Bestimmt amüsierten sie sich irgendwo. Musste sie sich Sorgen machen? Diese Elizabeth Sanders hatte es doch bestimmt nur auf sie, Lara, abgesehen …
Oben auf dem Kamm des Hügels glommen kurz die Frontscheinwerfer eines Autos auf und verschwanden wieder. Über den Lärm der dämmerungsaktiven Insekten hinweg war ganz leise das Geräusch eines widerspenstigen Motors zu hören. Aus der Ferne erklang Hundegebell, rhythmisch wie ein Herzschlag. Auf der anderen Seite des Hügels, viele Meilen tief im Wald verborgen, saß Stephen in seinem Haus. Lara fragte sich, was er jetzt wohl gerade machte, ganz allein dort draußen. Sie sprach ein kleines Gebet, in dem sie um seine Sicherheit bat.
Marcus’ lautes Lachen stieg hinter dem Haus in die Luft und drang zu ihr herüber – es war die besonders kehlige Variante, die er ausschließlich für seine Schauspielerfreunde reservierte. Seinem Basso profundo folgte Selinas silberhelles Kichern.
Lara zog einen Klumpen Schleim aus dem Rachen hoch und spuckte ihn ins Gras – etwas, was sie normalerweise nur beim Joggen machte. Sie sah zu ihrem großen Mietwagen hinüber, der weiter hinten auf dem Asphalt parkte, und fragte sich, was sie davon abhielt, hinters Lenkrad zu springen und loszufahren, weg von Marcus, damit sie bei Stephen sein konnte. Dass ihr Ehemann nicht einmal den Hauch einer Ahnung hatte, dass zwischen ihnen etwas schieflief, machte ihre Verachtung für ihn noch größer, als sie bei ihrer Ankunft schon gewesen war. Und wenn sie ehrlich war, wollte das einiges heißen.
Olly und Bella kamen nach Hause, kurz bevor Lara das Ratatouille servierte, das sie aus Bettys Gaben zubereitet hatte. Sie waren erhitzt, müde und völlig verschmutzt. Lara freute sich, dass sie wieder da waren, aber irgendetwas stimmte nicht mit ihnen. Bella schien eine unheimliche Wut auf ihren Bruder zu haben und weigerte sich, mit ihm zu reden oder ihn auch nur anzusehen. Andererseits waren Situationen wie diese nun wirklich nichts Neues. Das ist eben die Krux bei Zwillingen, dachte Lara, während sie das Dressing unter den Salat mischte. Ihre Beziehung war so eng, dass es ständig Konflikte gab.
Wäre sie nicht selbst so durcheinander gewesen, hätte sie den Versuch unternommen, herauszufinden, was genau mit Bella los war, aber sie vermutete, dass sich der kindische Geschwisterstreit, worum auch immer es dabei ging, auch ohne ihr Eingreifen regeln würde. Sie hatte genug eigene Sorgen.
Ohnehin wurde die Unterhaltung bei Tisch von Selina und Marcus dominiert, die sich über ihren Beruf austauschten und James im kreativen Rausch nachahmten. Selina hatte gerade mit einem Regisseur gedreht, der in jüngster Zeit eher wegen seiner eigentümlichen Familienverhältnisse als durch seine im Niedergang befindliche Karriere von sich reden gemacht hatte, und Marcus entlockte ihr alle schmutzigen Details. Auffällig war, dass Bella nicht einen Funken Interesse an den Showbiz-Geschichten zeigte. Sie saß einfach nur da und stocherte trübsinnig in ihrem Essen herum. Wenigstens Olly schien seinen Spaß zu haben.
»Heute Abend sind wir zu einer Gartenparty bei Nachbarn eingeladen«, sagte Lara, um ihre Tochter aufzumuntern.
»Macht es euch was aus, wenn ich nicht mitgehe?«, fragte diese. »Ich bin total fertig.«
»Geht es dir gut?«
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