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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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Einkäufen hinzu. Sie wollte nicht, dass Jack sich langweilte, denn dann würde sie Schuldgefühle bekommen, und da jeder nur einen Koffer auf den Flug hatte mitnehmen dürfen, hatten sie nur ganz wenige, unentbehrliche Spielsachen einpacken können. Außerdem wanderten noch ein Ball, ein Reifen und etwas, das sich »Whiffle Ball Set« nannte, in den Wagen.
    Jack streckte die Hände nach dem Ball aus, und sie erlaubte ihm, ihn zu halten.
    »Entschuldigen Sie bitte.« Eine zierliche, dunkelhaarige Frau mit einem winzigen neugeborenen Baby, das in einem auf dem Einkaufswagen befestigten Drahtaufsatz lag, wollte hinter Lara etwas aus dem Regal nehmen.
    Lara trat zur Seite, und die Frau streckte einen muskulösen, sommersprossigen Arm aus, um sich eine Plastikdose mit Säuglingsmilch zu angeln.
    Das Baby schlief, und sein zerknautschtes Gesichtchen war undurchdringlich wie das eines kleinen toten Greises. Laras Knie gaben ein wenig nach; sie schwankte, während sich ihr Inneres zusammenzog.
    Die Mutter sah zu Lara herüber und bemerkte, wie diese das Baby betrachtete. Der fragende Blick ihrer geschminkten Augen kreuzte den von Lara.
    »Was für ein süßes Baby«, stammelte Lara wie ertappt.
    »Danke schön«, sagte die Mutter.
    »Wie alt ist es denn?«
    »Drei Tage.«
    »Ach Gott. Na, herzlichen Glückwunsch. Es ist wirklich wunderschön.« Lara lächelte, dann wandte sie sich ab und schob Jack mit dem Einkaufswagen so schnell sie konnte weiter.
    Jedes Mal, wenn sie um eine Ecke bogen, tauchte die Frau mit ihrem Baby wieder auf. Sie stand da und traf ihre Auswahl aus einem verwirrend großen Sortiment Bagels, die zum Schutz vor Keimen in riesigen Plexiglas-Bottichen aufbewahrt wurden. Sie ging an der automatischen Berieselungsanlage beim grünen Gemüse vorbei. Und sie war neben ihr, als Lara von einer Tiefkühltruhe aufblickte, die so groß war wie ein Schwimmbecken und nichts als Hummer und riesige Shrimps in Schale enthielt. Es war, als würde die Frau ihr absichtlich folgen, um sie mit ihrem Baby zu quälen. Als wäre sie eine körperliche Manifestation von Laras Schuld – Sieh her, was du weggeworfen hast, wollte sie ihr sagen.
    Und dann, als fast der gesamte Inhalt ihres Einkaufswagens schon auf dem Kassenband lag, so dass es kein Zurück mehr gab, hob Lara den Kopf – und da stand die Frau schon wieder direkt hinter ihr in der Schlange.
    Lara versuchte, wegzuschauen und sich darauf zu konzentrieren, die letzten Artikel auf den Weg zur Kasse zu bringen.
    »Hey, wie geht’s denn?« Die pummelige junge Kassiererin strahlte sie an.
    »Ach, hm, gut, danke«, stotterte Lara.
    »Ihr Akzent gefällt mir!«
    »Danke schön.«
    Jack ließ seinen Ball fallen.
    »Mummy, hol mir den Ball.«
    »›Mummy‹. Ist das nicht total schnuckelig?«, gluckste die junge Kassiererin, als Lara loslief, um den Ball zurückzuholen.
    »Scheibenkleister«, keuchte die frischgebackene Mutter hinter ihr. Sie hatte damit begonnen, ihre Einkäufe aufs Band zu laden, aber dann war ihr Baby aufgewacht und verlangte mit dem typischen Neugeborenenquäken nach Aufmerksamkeit. »Scheibenkleister.« Sie wurde fahrig, weil es sie offenbar überforderte, sich um ihr Baby zu kümmern und gleichzeitig ihrer Pflicht als Supermarktkundin nachzukommen, die darin bestand, den Ablauf an der Kasse nicht ins Stocken geraten zu lassen.
    Ein drei Tage altes Baby ist doch noch viel zu klein, um es mit in den Supermarkt zu nehmen, dachte Lara. Erst jetzt fiel ihr das makellose Äußere der Frau auf. Ihr Gesicht war perfekt geschminkt, und sie trug eine seidene Tunika mit limettengrünen und fuchsiaroten Kreisen auf schwarzem Grund.
    »Kann ich helfen?«, fragte Lara und deutete auf den Einkaufswagen der Frau.
    »Ach, das wäre wahnsinnig nett«, antwortete diese, hob das Baby aus seinem Gitteraufsatz und legte es der verdatterten Lara in die Arme. Dann wandte sie sich wieder dem Wagen zu und fuhr fort, die restlichen Waren aufs Band zu legen. Säuglingsnahrung, Windeln, abgepackten Kuchen, einen Kanister Traubensaft …
    So hatte Lara ihr Hilfsangebot nicht gemeint.
    Sie stand da, beäugte das unwillkommene Bündel in ihrem Arm, und ihre Lippen öffneten und schlossen sich lautlos wie bei einem Karpfen. Das Baby hatte die Äuglein fest zugekniffen und strampelte. Sein Mund war ein klaffendes Loch in seinem roten Gesicht. Mit jedem Schrei krampfte sich sein kleiner Leib zusammen, während es abwechselnd den Rücken durchbog und die Knie an den Bauch zog.
    Es war

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