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Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
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damit?« Stephen hüllte sie in ein flauschiges weißes Handtuch, das ihr von den Schultern bis zum Fußboden reichte.
    »Ich habe keine frischen Kontaktlinsen mitgebracht, und meine alten musste ich gestern Abend rausnehmen. Ich dachte, ich hätte noch welche in meiner Tasche, aber ich habe mich getäuscht. Ohne Linsen kann ich nicht Auto fahren.«
    »Warum würdest du das auch wollen?«, fragte Stephen und rubbelte sie sanft mit dem Handtuch trocken.
    Später, nach einem Frühstück, bestehend aus Blaubeeren und selbstgemachtem Sahnejoghurt, schlüpfte Stephen in das Kostüm des langhaarigen Sam Miller, nahm sein Gewehr und küsste Lara auf die Lippen.
    »Es dauert nicht lange«, versprach er.
    »Wo willst du denn hin?«
    »Ich muss ein Päckchen von der Post im Ort abholen. Wichtige Unterlagen. Ich bin ganz schnell wieder da. Bleib einfach im Wohnzimmer, lass die Vorhänge zu und geh nicht nach draußen.«
    »Ich kann nicht alleine hierbleiben«, protestierte sie, und es war ihr voller Ernst. »Kannst du nicht Trudi Staines bitten, das Päckchen für dich abzuholen?«
    »Sie geht nicht ans Telefon«, erwiderte Stephen rasch. »Und ich brauche das Päckchen sofort.«
    »Oh«, sagte sie.
    »Du Arme.« Er schloss sie in die Arme. »Du fürchtest dich, stimmt’s?«
    »Ja.« Sie lächelte zu ihm auf.
    »Du könntest natürlich mitfahren. Sofern …«
    »Sofern?«
    »Wenn wir nach Trout Island kommen, müsstest du dich verstecken. Und ich muss vorsichtig sein. Wir wollen ja nicht, dass jemand merkt, dass es den umgestürzten Baum auf der Straße gar nicht gibt.«
    Also fuhren sie mit offenem Verdeck den Berg hinunter. Kurz vor dem Ort hielt Stephen am Straßenrand an. Lara kletterte auf den Rücksitz, und er reichte ihr das Gewehr.
    »Ich will das nicht haben«, sagte sie.
    »Es ist aber besser, wenn du es nimmst. Es ist gesichert, keine Sorge.« Er breitete eine Decke über sie und fuhr weiter in den Ort hinein. Lara fühlte sich beengt und schwitzte unter der Decke, aber es war besser, als ganz allein in Stephens Haus zu sitzen. Irgendwann kam der Wrangler zum Stehen.
    »Wir sind jetzt vor dem Postamt. Bleib unten«, bat Stephen, als er aus dem Wagen stieg. »Es dauert nur zwei Minuten.«
    Während Lara unter der Decke lag und versuchte, sich so wenig wie möglich zu bewegen, hörte sie plötzlich zwei vertraute Stimmen, die immer näher kamen.
    »Was ist ein Verräter?«, sagte Marcus.
    »Was ist ein Verräter?«, wiederholte Jack.
    »Nun, einer, der schwört und es nicht hält«, antwortete Marcus, eine Frauenstimme nachahmend.
    »Und sind alle Verräter, die das tun?«, fragte Jack, und Laras Herz krampfte sich zusammen.
    »Jeder, der das tut, ist ein Verräter und muss aufgehängt werden«, fuhr Marcus in der Frauenstimme fort.
    »Müssen denn alle …«, sagte Jack. Er stockte. »Ja. Jetzt weiß ich’s wieder … aufgehängt werden, die es nicht halten und schwören?«
    »JA WOHL !«, donnerte Marcus, und Jack kicherte. »Aber es heißt ›schwören und es nicht halten‹, Jacko«, erklärte Marcus, nun wieder in seiner eigenen Stimme.
    »Aber ich war doch gut, oder, Dad?«, wollte Jack wissen. »Ich hab meinen Text gelernt.«
    »Wie ein Profi«, lobte Marcus. »So gut wie dein alter Vater.«
    »Sieh mal!«, rief Jack. Seine Stimme war ganz nah, zu nah. »Stephens Auto.«
    »Was?«, sagte Marcus. Lara konnte sein Aftershave riechen, als er sich in den Wagen beugte. Ein Schweigen folgte, so lang wie ein ganzes Leben. Lara hielt den Atem an und betete, Stephen möge nicht jetzt aus dem Postamt kom-men.
    »Nein. Das kann gar nicht Stephens Wagen sein, Jacko. Stephen sitzt mit Mummy zusammen oben auf dem Berg fest, schon vergessen? Der arme Kerl.«
    »Aber schau doch mal, Daddy. Stephens Dellen«, beharrte Jack, und seine Stimme wurde ein wenig leiser, als er in die Hocke ging, um auf die zerbeulte Seite des Wagens zu zeigen, wo Sanders sie, beim Versuch, sie von der Straße zu drängen, gerammt hatte. Einen Augenblick lang vergaß Lara ihre brenzlige Lage, weil ihr der verwirrende Gedanke durch den Kopf schoss, dass Stephen nicht einmal auf die Idee gekommen war, Sanders könnte hinter der Sache gesteckt haben. Oder hinter dem Vorfall im Waschsalon.
    »Schau doch mal, Daddy.«
    Sei still, Jack, flehte Lara.
    »Das kann nicht Stephens Wagen sein«, sagte Marcus mit Nachdruck. »Hier gibt es haufenweise solche Jeeps. Und ich wette, jeder von denen ist voller Kratzer und Dellen wegen der vielen Geländefahrten,

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