Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hautnah

Hautnah

Titel: Hautnah Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Julia Crouch
Vom Netzwerk:
sein Lächeln zu erwidern, »kein Betrag kann jemals zu groß sein.«
    Erneut wurde Beifall geklatscht, als die Schauspieler von der Bühne sprangen, an den hinteren Türen Aufstellung bezogen und den Zuschauern ihre Hüte hinhielten, damit diese Ein-Dollar-Scheine, Zwanziger, Fünfziger und sogar Schecks über größere Summen hineinwerfen konnten.
    »Wie entwürdigend«, sagte Olly leise.
    »Das ist eine althergebrachte Tradition«, erwiderte Marcus laut. »Ich finde es großartig.« Dann wurde er von einer Gruppe Damen umringt, die ihn alle kennenlernen wollten, um zu erfahren, ob er aus London war und sie ihn aus irgendwelchen Filmen kannten.
    Er war in seinem Element.
    Lara schlenderte mit den Kindern nach draußen. Sie hoffte, ein oder zwei Gläser Wein auf der Party würden sie etwas munterer machen, trotzdem fiel es ihr schwer, Begeisterung für den bevorstehenden Abend aufzubringen. Daran konnte auch der Gedanke an die Überraschung – wahrscheinlich irgendetwas Schrilles und Peinliches, ein typisch englisches Gericht oder ein untragbarer Hut, den Betty gebastelt hatte – nichts ändern.
    »Ich muss mich setzen«, sagte sie zu Bella und Olly.
    Also ließen sich Mutter und Kinder der Familie Wayland auf der Rollstuhlrampe neben dem Theatereingang nieder und warteten darauf, dass sich ihr Ehemann und Vater wieder zu ihnen gesellte. Sie sahen zu, wie erst die Zuschauer gingen und danach, in aufgekratzten Grüppchen, die Schauspieler. Sie warteten fast vierzig Minuten.

12
    D as Farmhaus von James und Betty lag einige Meilen außerhalb des Ortes. James hatte behauptet, der Routenplaner auf Google tauge nichts, und sie mit einer eigens in seinem unnachahmlichen Stil verfassten Wegbeschreibung ausgestattet.
    Beim ersten Mal fuhren sie an der richtigen Abzweigung vorbei bis zu einem von einem rostigen Damm umgebenen Staubecken, dessen gigantische Ausmaße in keinem Verhältnis zu der es umgebenden Landschaft standen. Spätestens jetzt – James hätte einen solchen Orientierungspunkt in seinem mit unzähligen Randbemerkungen versehenen Text zweifellos erwähnt – wurde ihnen klar, dass sie zu weit gefahren waren, also drehten sie wieder um. Aus der entgegengesetzten Richtung kommend, war die Abzweigung nicht zu übersehen. Sie fanden die richtige Straße und bogen, wie beschrieben, auf einen unbefestigten, langsam ansteigenden Weg ein. Sie kamen an wenigen Häusern vorbei, größtenteils jedoch waren sie von Bäumen und Sträuchern umgeben.
    Ein Reh sprang vor dem Wagen über die staubige Straße. Marcus bremste ab.
    »Wo eins ist, ist meistens auch …« Noch während er sprach, huschte ein zweites, kleineres Reh vorüber. »… ein zweites.«
    »Mir kommt’s so vor, als würden wir in den tiefen dunklen Wald fahren«, sagte Bella. »Ich weiß nicht, ob mir das gefällt.«
    »Unsinn«, entgegnete Marcus. »Das hier ist eben die Natur, an Klaue roh und Zahn.«
    »Rot«, meldete sich Olly von hinten.
    »Was?«, sagte Marcus.
    »Es heißt ›Natur, an Klaue rot und Zahn‹. Tennyson.«
    »Also, Leute, da geht’s mir doch gleich schon viel besser«, stellte Bella fest, die mit zusammengekniffenen Augen aus dem Fenster starrte.
    »Hier irgendwo muss es sein, gleich hinter dem gelben Pfosten, auf der Lichtung«, sagte Lara.
    »Du meinst, wo die ganzen Autos stehen. Wegen der Party?«, fragte Olly.
    »Mein lieber Mann, ihr zwei sprüht ja heute geradezu vor Sarkasmus«, erwiderte Marcus.
    Sie hielten am hinteren Ende der Reihe aus etwa zwanzig Autos, die in ihrer Vielfalt – vom zerbeulten roten Pick-up bis hin zum nagelneuen Porsche Carrera – ein Zeugnis von den erheblichen finanziellen Statusunterschieden innerhalb der Schauspielzunft ablegten.
    »Nicht schlecht«, meinte Olly, als sie am Porsche vorbeigingen.
    Sie bogen in die Einfahrt ein und fanden sich vor einem der schönsten Häuser wieder, die Lara je gesehen hatte. Von der Straße aus war es nicht einmal zu erahnen. Es war im neoklassizistischen Stil gebaut wie die meisten Häuser im Ort, aber im Gegensatz zu ihnen war es liebevoll gepflegt und in einem ausgezeichneten Zustand. Es war in einem zarten Puderblau gestrichen, mit cremeweißen Fensterrahmen und Laibungen. Eine breite Veranda lief um den sichtbaren Teil des Hauses herum, und im Licht der untergehenden Sonne sah es so aus, als würde das Haus über der riesigen Wiese, die sich davor ausbreitete, schweben. Am atemberaubendsten jedoch war die Lage auf einer kleinen Erhebung, deren mit

Weitere Kostenlose Bücher