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Havelgeister (German Edition)

Havelgeister (German Edition)

Titel: Havelgeister (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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begann, kam Ludwig um den Tisch. »Setzen Sie sich wieder hin, Manzetti. Und Sie«, sagte er an Frau Freitag gewandt, »gehen auch wieder auf Ihren Platz. Herr Manzetti hat nur einen alten Scherz gemacht. Wir lachen dann später darüber.«
    Frau Freitag blickte mehrmals von Manzetti zu Ludwig und hob dann die Achseln. Wortlos schloss sie schließlich die Tür hinter sich.
    Manzetti stand noch immer an der mannshohen Schrankwand. »Welches ist es?«
    Ludwig trat neben ihn und griff neben die Polizeifachhandbücher. Mit knirschenden Zähnen angelte er die Strafprozessordnung von Kleinknecht heraus und warf sie auf Claasens Schreibtisch.
    »Ausschalten«, forderte Manzetti.
    Ludwig klappte das Buch auf und bediente einen Schalter. Dann setzte er sich wieder an den Besprechungstisch.
    »Warum observieren Sie mich?«, fragte Manzetti erneut.
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Sie haben den falschen Baum ausgewählt. Es ist zwar richtig, dass meine Frau einen Birnbaum pflanzen will, aber der steht noch im Keller. Und den kann man von draußen nicht einsehen.«
    Ludwig blieb ungerührt. Er holte tief Luft und fragte dann: »Wer von Ihnen, Bremer oder Sie, hat den Obduktionsbericht an die Presse gegeben?«
    »Welchen Obduktionsbericht?«
    »Den wir auf der Festplatte von Dr. Bremer gelöscht haben?«
    Manzetti zog jetzt, wie kurz zuvor Frau Freitag, die Achseln nach oben. »Ich kenne keinen Obduktionsbericht.«
    »Lügen Sie nicht, Manzetti. Sie wissen doch, wozu wir in der Lage sind. Wir können nicht nur Staatsfeinde hinter Gitter bringen, wir können auch welche erschaffen. Wenn Sie so wollen, sind wir in dieser Angelegenheit die Hand Gottes.«
    Manzetti war entsetzt. »Damit kommen Sie nie durch.«
    »Meinen Sie? Vielleicht reicht ja das Vermögen Ihrer Familie, um die besten Anwälte zu beschäftigen, aber die können lediglich eine Verurteilung vor Gericht verhindern. Gegen die Verurteilung durch die Medien und durch die auf Ihr italienisches Vermögen neidischen Mitmenschen jedoch sind ihre Advokaten machtlos. Merken Sie sich das und stören Sie nicht weiter unsere Kreise. Frau Freitag wird Ihnen Ihre Suspendierung aushändigen. Damit räumen wir Ihnen großzügig Bedenkzeit ein. Nutzen Sie die.«
    Damit erhob sich Ludwig, ordnete sein Sakko und verließ ohne ein weiteres Wort das Büro von Direktor Claasen.
    Manzetti blieb noch einige Sekunden konsterniert stehen. Dann aber löste sich seine Starre und er griff zu Claasens Telefon. »Ich muss dringend Bremer sprechen«, sagte Manzetti, als sich die Telefonzentrale der Rechtsmedizin meldete.
    »Tut mir leid«, sagte der Mann. »Der Doktor ist vor fünfzehn Minuten verhaftet worden.«

33
    Wegmann hatte sich Karins Golf geliehen und war rausgefahren nach Ketzür. In dem beschaulichen Ort stellte er das Auto ans Ufer des Beetzsees und sah sich um. Er war allein, wie er es gehofft hatte. Nur ein roter Skoda stand verlassen mit der Schnauze in einem Gebüsch. Wegmann öffnete die Fahrertür, blieb aber sitzen. Er genoss die frische Luft. Schön war es hier und so friedlich. Dann zog er den Umschlag vom Beifahrersitz und legte ihn auf die Knie. Für das erneute Lesen des Obduktionsberichtes brauchte er keine fünf Minuten.
    Was war hier für eine Sauerei im Gange? Nichts stimmte mit dem überein, was Polizei und Staatsanwaltschaft während der Pressekonferenz bekanntgegeben hatten. Nicht das winzigste Detail, außer vielleicht dem Namen des Opfers. Nepomuk Böttger.
    Der Sprecher der Rechtsmedizin, den er von unterwegs angerufen hatte, verwies ihn höflich aber bestimmt auf die Pressehoheit der Staatsanwaltschaft. Man könne in diesem Fall gar keine Angaben machen, zumal der ausführende Rechtsmediziner ja in einem späteren Gerichtsverfahren als Gutachter in Erscheinung treten müsse. Das verpflichte in einer so frühen Phase der Ermittlungen nun einmal zur Zurückhaltung, wofür sie um Verständnis bäten.
    Schöne Scheiße, dachte Wegmann, aber irgendwie war ihm das schon vorher klar gewesen.
    Auch sein nächster Anruf war nicht ergiebiger gewesen. Der junge Staatsanwalt mit dem wohlklingenden Namen Benedikt Müller-Seidling fühlte sich der eigenen Karriere offenbar stärker verpflichtet als dem Amt des Pressesprechers. Ihm liege kein zweiter Obduktionsbefund vor, hatte er Wegmann knapp abgewiegelt, und damit sehe er auch keine Notwendigkeit, Prüfungshandlungen einzuleiten. Wenn der Märkische Kurier aber der Meinung sei, so Müller-Seidling, die Ermittlungen durch

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