Havelgeister (German Edition)
gezielte Falschmeldungen zu torpedieren, sehe er sich veranlasst, rechtliche Schritte gegen die Zeitung und gegen den Verfasser der Meldung einzuleiten.
Das war deutlich, auch wenn Müller-Seidling das Wort Drohung nicht ausgesprochen hatte. Wegmann war entsetzt. Das durfte es doch nicht geben. Alles trug den Stempel der Manipulation, und die Behörden schauten weg, ja schienen nicht einmal im Lande zu sein.
Er krabbelte aus dem Golf und drehte sich zu dem letzten Häuschen vor dem See um. Da also wohnte sein Erzfeind. Nie hätte Wegmann geglaubt, dass er sich je an Manzetti wenden würde, um ihn um Hilfe zu bitten. Aber schon der Volksmund wies darauf hin, dass man nie nie sagen sollte.
In der Direktion hatte man Wegmann erklärt, dass der Hauptkommissar nicht mehr mit dem Fall betraut sei und außerdem ein paar Tage freigenommen habe. Frei wofür, überlegte Wegmann? Um die Tochter zu schützen? Um sie reinzuwaschen, genauso wie es Thomas Böttger mit seinem ermordeten Sohn tat? Irgendwie traute er genau das diesem Halbitaliener nicht zu.
Wegmann bewegte sich auf das Gartentor des Grundstückes zu und drückte auf die Klingel. Als keine Reaktion erfolgte, drückte er noch einmal den Knopf, dieses Mal zehn Sekunden lang.
»Da ist niemand«, rief ihm ein älterer Herr zu, der auf dem Fahrrad vom See kam. »Sind beide arbeiten und die Kinder in der Schule. Kann ich helfen?«
»Guten Tag«, wünschte Wegmann, als der Alte seine Fahrt unterbrach und neben ihm vom Rad stieg. »Ich bin vom Märkischen Kurier und möchte gerne mit Herrn Manzetti reden.«
»Gerhardt. Paul Gerhardt«, stellte sich der Alte vor und lüpfte eine ziemlich speckige Schiffermütze. »Es geht wohl um die kleine Lara, was?«
Wegmann nickte, obwohl er nicht genau wusste, was der Alte damit meinte. Aber in so kleinen Dörfern blieb bekanntlich nichts verborgen, und genau diesen Umstand, wollte er sich zunutze machen. Vielleicht hatte der Alte Informationen in petto, die blankes Gold waren. Er beschloss also, den Alten etwas auszuquetschen, was dieser Dorfdepp wahrscheinlich nicht einmal merken würde.
»Das scheint ja ein ganz großes Ding zu sein mit der Lara«, sagte er und war überrascht, wie unverfänglich er zu formulieren verstand.
»Ein ganz großes Ding?«, fragte der Alte und setzte seine Mütze wieder auf. »Das ist eine Riesensauerei, ist das. Das arme Mädchen. Sie ist so hilfsbereit und hat sicherlich noch niemandem etwas getan. Und dann das. Aber wie ich gehört habe, wird sie wieder auf den Damm kommen.«
Wovon faselte der Typ eigentlich? Wegmann konnte sich im Moment kein Bild machen. »Wie ist das denn eigentlich passiert?«, hakte er nach, obwohl er immer noch nicht wusste, was da denn passiert sein sollte.
»Das wissen wir auch nicht«, sagte der Alte und hob hilflos die Hände. »Aber wenn sie den Hundesohn finden, der die Kleine niedergestochen hat, dann möchte ich nicht in seiner Haut stecken. Wie ich meinen Nachbarn kenne, wird der Junge den Kerl greifen und dann solange mit ihm rumspielen, bis kein Knochen mehr heil ist. So wie es mein Anton mit den Mäusen macht.«
Wegmann sperrte die Ohren immer weiter auf. »Niedergestochen?«
»Ja, wissen Sie das denn nicht? Ich dachte, Sie wären wegen der Tochter der Manzettis hier?«
»Das bin ich ja auch. Ich … ich wollte nur noch ein paar Details erfragen.«
»Dann machen Sie das man«, sagte der Alte und schwang sein Bein über die Stange des Fahrrades. »Wenn mich nicht alles täuscht, kommt er da gerade.«
Manzetti war noch immer in seinen Grübeleien gefangen. Er suspendiert und Bremer festgenommen. Aber warum? Das konnte ihm weder der Personalchef so ganz genau benennen, noch bekam er irgendwo eine Auskunft über den Grund für Bremers Festnahme.
Er hatte ein paar Sachen aus seinem Büro zusammengepackt, war noch einmal zu Sonja gegangen und dann auf direktem Wege nach Hause gefahren. Hier wollte er sich frisch machen und dann ins Krankenhaus fahren, um Kerstin abzulösen.
Nach der letzten kleinen Straßenbiegung fixierten seine Augen zwei Gestalten vor seiner Grundstückseinfahrt. Nein, ging es Manzetti sofort durch den Kopf, nicht schon wieder Paul. Aber für ein abruptes Wenden war es zu spät, Paul hatte ihn erkannt und kam ihm freundlich winkend auf seinem Fahrrad entgegen.
»Da ist ein Typ von der Zeitung«, raunte ihm Paul durch das geöffnete Autofenster zu, als Manzetti in Höhe seines Nachbarn hielt.
»Von welcher Zeitung?«
»Vom Kurier. Den
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