Havelgeister (German Edition)
inneren Anspannung. Warum haben Sie mich dann aber doch in Ihr Haus gebeten?«
Manzetti lüpfte wieder ein wenig den Vorhang und spähte hinaus. »Weil jemand, den ich sehr gut kenne, der Absender ist und ich in der gegenwärtigen Situation davon ausgehen muss, dass er Sie bewusst ausgewählt hat. Obwohl …« Manzetti drehte sich wieder zu Wegmann und sah aus seiner lichten Höhe auf den sitzenden Journalisten hinab, »obwohl ich am Verstand desjenigen zu zweifeln beginne.«
Den letzten Satz hatte Manzetti nur hinzugefügt, um Wegmann noch ein bisschen in unsicherem Fahrwasser schwimmen zu lassen. Hätte er ihm gestanden, dass er großes Vertrauen in Bremers Menschenkenntnis und in sein Urteilsvermögen hatte, bekäme das Wegmanns jugendlichem Geist womöglich nicht und könnte ihn zu übermütigen Handlungen verführen.
Wegmann sah zu Manzetti. »Sie werden mir doch nichts tun und nachher behaupten, dass ich in Ihr Haus eingebrochen wäre?«
Manzetti schürzte die Lippen. Keine schlechte Idee. Aber Gewalt würde ihn zum gegenwärtigen Zeitpunkt seinem Ziel nicht näher bringen. Irgendwann, davon war er überzeugt, würde er darum nicht mehr herumkommen. Dass die sich aber gegen Wegmann richten könnte, schloss er zunächst aus.
»Ich hoffe, Sie sind als Journalist hier und nicht als Einbrecher«, sagte er und setzte sich hin. »Obwohl das heutzutage kaum mehr zu trennen ist.«
Wegmanns Augen entspannten sich wieder. »Ich kann Sie beruhigen. Ich bin nicht als Dieb gekommen, ich habe sogar geklingelt, fragen Sie Ihren Nachbarn, der dürfte es gesehen haben.«
»Gut. Dann stelle ich Ihnen noch einmal die Frage, was Sie von mir wollen? Dass ich nicht der Absender des Obduktionsberichtes bin, haben wir ja nun geklärt.«
»Aber Sie wissen, wer ihn mir geschickt hat.«
»Ist das eine Frage?«
Wegmann antwortete nicht, schüttelte aber gut sichtbar den Kopf.
»Also keine Frage«, stellte Manzetti fest. »Dann mache ich von meinem Recht Gebrauch, meine Quelle zu schützen. Sie kennen das ja.«
»Okay.« Wegmann rutschte etwas weiter an den vorderen Rand des Sofas. Diese Geste sollte wohl Vertrauen schaffen, war bei Manzetti aber von vornherein nicht mehr als ein untauglicher Versuch. Vertrauen, noch dazu in einem Fall, in den sowohl seine Tochter als auch ein guter Freund involviert waren, gab es nur durch Taten, nicht durch Gesten.
»Ich habe von Ihrem Nachbarn gehört, dass Ihrer Tochter etwas zugestoßen ist. Außerdem weiß ich, dass Sie suspendiert sind und dass Ihr Freund, der Rechtsmediziner Bremer verhaftet wurde.«
Manzetti beobachtete jede Bewegung des Journalisten, der ständig sein Handy in der Hand hielt und immer wieder darauf schaute.
»Können Sie nicht mal das Ding weglegen?«, sagte er und nickte in Richtung von Wegmanns Handy.
»Bitte. Kein Problem«, beschied Wegmann und legte das Handy demonstrativ zwischen sich und Manzetti auf den Boden. Wie einen geladenen Revolver. »Darf ich einen Vorschlag machen?«
Manzetti winkte Wegmann zu und nickte. Soll er doch. Das konnte ihm sogar sehr recht sein, war er doch damit in die Lage versetzt, wie ein Richter abzuwägen, ohne selbst die Initiative ergreifen zu müssen.
»Da Sie mir nicht trauen und ich auch nicht so genau weiß, auf welcher Seite Sie eigentlich stehen, gehen wir Step by Step vor. Jeder stellt eine Frage, die der andere dann beantwortet.« Wieder sah Wegmann Manzetti an, dieses Mal aber mit weniger angsterfüllten Augen.
»Von mir aus. Sie dürfen anfangen.«
»Was hat es mit dem Riesengraffiti auf sich?«
Manzetti lächelte kurz auf. Wenn es weiter nichts war. »Ein Dummejungenstreich. Nichts von Belang, hat nur wegen des Doms große Aufmerksamkeit erlangt. – Was wissen Sie über Thomas Böttger?«
Wegmann kniff die Augen zusammen. Warum musste dieser Bulle gleich voll ins Schwarze treffen? Er entschied sich für die Wahrheit, denn sollte Manzetti irgendwann darauf kommen, dass er seine Informationen zurückhielt, dann danke.
»Er hat uns nach der Pressekonferenz zu sich in seine Villa eingeladen. Angeblich, um den Medien von Anfang an offen gegenüberzutreten. Mitten im Gespräch wies seine Sekretärin ihn dann aber darauf hin, dass sein Flugzeug nach Priština auf ihn warte, und er brach das Interview ab. Ich hatte das Gefühl, dass die Dame uns vorsätzlich darauf brachte oder bringen sollte, dass Böttger nach Priština reist. – Haben die Kids etwas mit dem Klau des Codex Sinaiticus zu tun?«
»Ich weiß es
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