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Haveljagd (German Edition)

Haveljagd (German Edition)

Titel: Haveljagd (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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vielleicht auch, weil jeden Augenblick der nächste Kunde auftauchen konnte.
    »Nein«, sagte sie mit einem überraschten Gesichtsausdruck. »Das hätte ich ja fast vergessen.«
    »Was?«
    »Die Polizei hat vorhin angerufen und bestätigt, dass der Staatsanwalt die Körper zur Bestattung freigegeben hat.«
    Michaelis führte den rechten Zeigefinger zum Mund und biss gedankenversunken darauf herum. Warum erst so spät? Was konnte das nun schon wieder bedeuten? War man sich auf der Ermittlungsschiene etwa nicht einig, oder hatte nur jemand den Vorgang zu lange unbearbeitet auf seinem Schreibtisch liegen lassen? Auf jeden Fall wunderte es ihn, denn aus seiner Sicht gab es keinen Grund für diese Verspätung, da man bei Suizid wegen der Kosten ansonsten kaum einen halben Tag mit der Freigabe wartete.
    »Ich fahre heute Nachmittag zu einem Bestattungsinstitut und werde alles regeln. Dann rufe ich Sie an. Sie wollen doch bestimmt zur Beisetzung kommen?«
    »Danke«, sagte er. »Und Tim? Bleibt der solange hier allein?«
    Nina schüttelte den Kopf. »Nein. Eine Nachbarin passt derweil auf ihn auf. Aber die kann erst gegen vierzehn Uhr.«
    »Ich könnte doch …«
    »Herr Michaelis«, unterbrach sie ihn. »Ich habe Sie erst zweimal gesehen. Und auch wenn Sie mir erklärt haben, dass Sie mit meinen Eltern befreundet waren, reicht das noch nicht aus, um Ihnen meinen Sohn anzuvertrauen.«
    Das leuchtete ihm ein und verlangte außerdem nach Achtung vor der Frau, die sich mit beiden Händen noch immer auf dem Tresen abstützte. Hände, die zwar sauber waren, aber doch verrieten, dass sie es gewohnt waren, harte Arbeit zu verrichten.
    »Selbstverständlich«, sagte er. »Wenn man heute liest, was mit Kindern alles angestellt wird.«
    Augenblicklich änderte sich ihre Körperhaltung. Sie verschränkte die Arme vor der Brust und verengte ihre Augen zu engen Schlitzen. »Was meinen Sie damit?«
    »Nichts.« Er schimpfte sich innerlich einen Trottel und schob beide Handflächen bittend gegeneinander. »Entschuldigen Sie, wenn ich etwas Unbedachtes geäußert haben sollte.«
    Sie verweigerte die Antwort, sah ihn nur an.
    »Es tut mir wirklich leid, wenn ich ein Thema angerissen habe, das …«
    Dann nahm sie endlich die Arme herunter. »Eigentlich ist es auch egal. Wenn Sie es nicht sind, schreibt es sicherlich ein anderer. Also warum nicht Sie?«
    »Sie wissen also davon.« Es war eine Feststellung, keine Frage.
    Sie nahm ein Bund Petersilie und drehte es zwischen den Fingern. »Deshalb sind Sie doch hier, oder? Na klar weiß ich von den absurden Vorwürfen, die gegen meinen Vater erhoben wurden.«
    »Ich habe es ernst gemeint, Frau Becher. Ich will Ihnen wirklich helfen und bin nicht an Rufmord gegenüber einem alten Freund interessiert.«
    Sie holte tief Luft, bevor sie sprach. »Und wer sagt mir, dass das auch stimmt? … Wissen Sie, ich habe irgendwann aufgehört zu glauben, was ich in den Zeitungen gelesen habe, und ich habe nicht das Gefühl, dass ich mich dabei irre. Ich kann also Zeitungsleuten nur schwer vertrauen. Außerdem könnte ich es sowieso nicht verhindern, wenn Sie irgendwelchen Mist über meinen Vater schreiben.«
    »Das ist wahr«, musste er zugeben. »Aber ich verspreche Ihnen, Frau Becher, dass genau das nicht passieren wird.«
    Sie starrte ihn an. »Sagen Sie nicht immer Frau Becher. Ich heiße Nina.«
    »Werner.« Er reichte ihr seine Hand über den Tresen.
    »Aber auf Tim passt trotzdem die Nachbarin auf.«
    Er musste lächeln. »Einverstanden. Was nicht ist, kann aber noch werden … Darf ich Ihnen noch einige Fragen stellen?«
    Sie legte die Petersilie zur Seite und stützte sich wieder auf dem Tresen ab. »Na los. Aber lassen Sie wenigstens meinen Sohn aus dem Spiel.«
    »Abgemacht«, sagte er. »Wissen Sie, was Ihr Vater einen Tag vor seinem Tod bei Oberstaatsanwalt von Woltersbrück wollte?«
    »Nein«, sagte sie. »Aber möglicherweise hatte das mit dieser Internetgeschichte zu tun.«
    »Und was wissen Sie davon?«
    »Viel zu viel.« Sie schob ein Tongefäß mit eingelegten Gurken zwischen sich und Michaelis und legte einen Stapel Papierservietten daneben.
    Er griff gierig zu.
    »Immer wieder kommt die Sprache auf diese Pornogeschichte. Was genau wirft man ihm denn vor?«
    Sie biss von einer Gurke ab und sprach dann mit vollem Mund. »Nichts. Man wirft ihm offiziell gar nichts vor, denn man hat nie etwas gefunden.«
    »Was? Wie meinen Sie das?«, fragte er völlig überrascht und bediente sich erneut aus

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