Havelsymphonie (German Edition)
Tochter nicht schützen könne, ohne zu wissen, worum es geht, es also denkbar wäre, dass sie trotzdem …“ Er trank aus der Flasche und strich sich mit der freien Hand vielsagend über den Kehlkopf.
„Ich dachte, du solltest sie nur überwachen?“
„Du hast doch wohl selbst gemerkt, dass mehr dahintersteckte, oder?“ Wendland sah skeptisch zu Manzetti. „Andrea, fünfzigtausend ist der Preis für Personenschutz von VIPs.“
„Aber Carolin Reinhard war keine VIP.“
Wendland stellte die Bierflasche neben das noch immer fast volle Weinglas. „Wie viel würdest du für den Schutz von Paola ausgeben, wenn sie bedroht wird?“
Manzetti sah seinen alten Freund, der offenbar seine Gedanken lesen konnte, nur an.
„Siehst du!“ Er lehnte sich mit seiner dritten Flasche zurück. „Er hatte eine panische Angst um seine Tochter. Er hätte mir jeden Preis bezahlt, glaub es mir. Aber er hat mir nie erzählt, wer das Leben seiner Tochter bedrohte.“
„Und du hast nicht gefragt?“ In Manzettis Worten schwang eine gehörige Portion Vorwurf.
„Na, na, na. Ich bin kein Polizist mehr. Ich bin für meine Kundschaft da und tue das, wofür die bezahlt. Nicht mehr und nicht weniger. Verstehst du das?“
Manzetti nickte, schwieg aber ansonsten.
„Er hat mir erzählt, dass jemand hinter seiner Tochter her sei und dass dieser jemand vermutlich einen Killer beauftragen könnte.“
„Hast du wirklich nicht gefragt?“
„Doch“, gab Wendland schließlich zu. „Aber der Alte hat mir nichts erzählt. Nur, dass es um eine Sache gehe, die fast fünfzig Jahre her sei.“
„Mehr nicht?“
Wendland schüttelte den Kopf. „Nein. Ich durfte nicht mit der Tochter reden, hat er angeordnet. Aber das hätte ja sowieso nichts gebracht, denn wenn die Geschichte vor fünfzig Jahren begonnen hat, hätte sie mir sicherlich nicht helfen können. Sie war doch zu dem Zeitpunkt noch nicht einmal geboren.“
Manzetti schüttelte den Kopf. „Wo ist dein Ehrgeiz geblieben, Michael?“
„Mein Ehrgeiz heißt jetzt, Geld zu verdienen, und da muss ich einige Prinzipien der Polizeiarbeit über Bord werfen.“
„Ja, sicherlich“, gestand Manzetti ihm zu. „Hast du trotzdem etwas herausbekommen?“
„Dafür war die Zeit zu knapp. Reinhard kam nach zwei Wochen zu mir, genau zu dem Zeitpunkt, als seine Tochter nach Brandenburg zog, und hat den Vertrag aufgelöst.“
„Und das Geld?“, wollte Manzetti wissen.
„Das konnte ich behalten. Er hat gesagt, das sei ein Vorschuss auf weitere Aufträge und er käme wieder, wenn seine Tochter dreißig werde.“
Manzettis Augen weiteten sich. „Und?“
„Was und?“
„Und, kam er wieder?“
„Nö“, sagte Wendland. „Ich bin doch erst am Sonntag aus dem Urlaub gekommen. Vielleicht war er bei einer anderen Detektei.“
13
Die nächsten Tage verliefen ohne weiteren Erkenntniszuwachs. Über die dienstliche Schiene hatte Manzetti eine Anfrage nach ähnlichen Verbrechen in ganz Europa gestartet und wartete nun auf die Ergebnisse, um im Austausch mit anderen ermittelnden Kollegen vielleicht einem Täter auf die Spur zu kommen, der nach einem ähnlichen Muster an weiteren Orten gemordet hatte. Bisher hatte er allerdings noch keine Rückmeldung erhalten und nun machte er sich nicht mehr viel Hoffnung.
So saß er in seinem Büro und sah regungslos aus dem Fenster. Die Herbstsonne war bereits an seinem Zimmer vorbeimarschiert und musste gerade irgendwo bei Claasen ihren Dienst tun. Aber morgen würde sie wiederkommen, so versprach es jedenfalls der Wetterbericht, dessen letzte Worte, die Vorhersage eines sonnigen Samstags, Manzetti noch aufgeschnappt hatte. Allerdings würden die Temperaturen in der Nacht unter Null fallen.
Sein Blick wanderte vom Fenster zum Telefon. Nichts. Der schwarze Kasten blieb vollkommen still, was Manzetti mit einem lauten Seufzer quittierte. Typisch für solche Technik. Wenn sie klingeln soll, dann tut sie es nicht, aber in den Momenten, in denen man Ruhe brauchte, da bimmelte ein Telefon gewöhnlich ohne Pause.
Er schaute zur Uhr auf seinem Schreibtisch. Das wohl siebte oder achte Mal in den letzten fünf Minuten.
Ruckartig schob er plötzlich den Stuhl nach hinten und ging zu einem kleinen Sideboard, wo er in dem Stapel der CDs wühlte. Eine zog er klappernd heraus und las auf der Suche nach einer bestimmten Information die Angaben auf der Cover-Rückseite durch. Dann sah er erneut auf die Uhr, blies alle Luft geräuschvoll aus der Lunge und ließ sich
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