Havelsymphonie (German Edition)
den Händen über dem Beratungstisch. „12 10 stehen wofür im Alphabet?“
„L und J“, sagte der Zivi.
„L und J“, wiederholte Manzetti. „Das könnten Initialen sein. Und wenn er sie während der Probe aufgeschrieben hat, dann meint er damit einen Musiker.“ Er schaute entschuldigend zu Hendel.
„Aber woher soll er ihre Namen kennen?“, versuchte der Intendant Unheil von seinen Orchestermitgliedern abzuwenden.
„Wir haben uns nach jeder Probe noch mit den Musikern in die Klause gesetzt. Meist auf eine Limo, obwohl Mario lieber ein Cola gehabt hätte“, erklärte Christian Wagner.
„Dann hat uns Mario den Namen des Täters aufgeschrieben“, behauptete Manzetti und setzte sich. Sofort waren alle Augen wieder auf den Notizblock gerichtet.
Schnell ergriff Sonja die Initiative. „Herr Hendel, haben Sie einen Musiker, dessen Initialen L und J lauten und der vor fünfzehn Jahren ein Engagement in Hamburg hatte?“
Hendel musste lange überlegen, bis er antworten konnte. „Da fällt mir nur Louis Junge ein. Aber der heißt eigentlich Frank und hat den Namen Louis nur bekommen, weil er famos Jazztrompete spielt. Aber diesen Spitznamen dürfte Mario nicht kennen.“
„Und wenn doch?“, fragte Bremer.
„Dann scheint alles zu passen. Welches Instrument spielt Junge bei Ihnen im Orchester?“, bohrte Sonja weiter.
„Er ist der zweite Trompeter.“
„Na bitte“, kommentierte Bremer. „Doch Neid als Motiv.“
„Das passt nicht.“ Hendel sah achselzuckend zu Sonja. „Louis ist fünfundzwanzig, war also vor fünfzehn Jahren erst zehn. Außerdem ist Brandenburg seine erste Station.“
Während die anderen drei diskutierten, starrte Manzetti wie gebannt auf die Strafanzeige, die er von seinem Schreibtisch geholt hatte. Er war eingetaucht in eine Welt, die noch nebulös war, aus der sich aber bereits erste Schwaden verabschiedeten. Die Klause. Natürlich, ging es ihm immer und immer wieder durch den Kopf.
Frau Manter beteiligte sich nicht am Rätselraten der anderen. Sie sah abwechselnd in Manzettis Gesicht und dann auf seine Hände. Ganz behutsam nahm sie den kleinen Löffel neben ihrer Tasse und steckte ihn zwischen seinen Daumen und den Zeigefinger, wo er sich sofort wie eine Windmühle zu drehen begann.
„88“, sagte Manzetti ganz leise, worauf alle anderen sofort verstummten. „Hier in der Anzeige steht 88. Wofür?“
Sonja überlegte kurz und antwortete dann ihrem Chef, der noch immer starr auf das Papier blickte, so, als hätte er seinen Körper für einen kurzen Augenblick verlassen. „Wenn es um Nazis geht, dann steht 8 für den achten Buchstaben im Alphabet. Also heißt es Heil Hitler.“
„Die 8 meint ein ganzes Wort: Heil oder auch Hitler. Die Zahl steht also für mehr als einen Buchstaben ...“ Noch einen ganz kleinen Moment zögerte er, und dann riss der Nebel endlich auf. Manzetti sah Sonja mit unbeweglichen Augen an und forderte sie auf: „Sprich L und J schnell aus!“
„L ….. J“, sagte sie, obwohl sie nicht wusste, was Manzetti damit bezweckte.
„Schneller!“, forderte er.
„L ... J.“
„Noch schneller!“
„L . J.“ Sonja war total verwirrt und blickte sich Hilfe suchend um.
„LJ“, sprang Sebastian Hendel ein und erschrak plötzlich. Dann verschloss er mit beiden Händen seinen Mund und wurde leichenblass. Als er die Hände wieder herunternahm, kam endlich das Wort aus seinem Mund, auf das Manzetti die ganze Zeit hingearbeitet hatte.
„Elliott.“
14
Elliott Silbermann. Es lief Manzetti kalt den Rücken runter, aber was war diese Information wert? Niemand konnte schließlich mit Bestimmtheit sagen, dass Mario Schmidt auch genau das meinte, was Manzetti und Sonja aus der Zahlenkombination 1210 herausgelesen hatten. Möglicherweise war hier viel zu sehr der Wunsch Vater des Gedankens. Manzetti war erfahren genug, um nicht leichtsinnig zu werden. Vielleicht war nämlich unter 1210, also unter L und J „liebe Jana“ oder „lauter Jahrmarkt“ oder etwas noch Verrückteres zu verstehen.
Trotzdem war der Gedanke an die Täterschaft von Silbermann verlockend. Sehr sogar, denn er mochte den jungen Gastwirt nicht besonders. Er erinnerte sich an den Morgen nach dem Leichenfund in der Theaterklause. Waren Sebastian Hendel und Margarethe Hofmann nach seiner Einschätzung im Großen und Ganzen recht nette Menschen, so traf dieses Urteil auf Elliott Silbermann nicht unbedingt zu. Aber reichte sein Gefühl an dieser Stelle? Nie und nimmer. Gefühle
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