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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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bevor der Jüngling, genau der, der sich so nett nach dem Wohlbefinden von Hauptkommissar Manzetti erkundigt hatte, seine Hand an die schmerzende Wange bringen konnte, packte Manzetti ihn an seinem Schulrucksack und drehte ihn daran im Kreis, bis er schließlich über den braunen Lederschuh des Polizisten stolperte. Zeitgleich mit dem Aufschlag auf dem harten Gehweg tauchte ein Dienstausweis der Polizei vor seinen Augen auf und beantwortete alle keimenden Fragen.
    Während die anderen beiden Helden die Flucht ergriffen, bildete sich auf der Wange des Gestürzten ein rotes Muster ab. Es sah einer menschlichen Hand täuschend ähnlich.
    „Wie heißt du?“ Manzettis Stimme klang bedrohlich.
    „ThoThom ... mas“, antwortete er stotternd.
    Manzetti zog den Jugendlichen hoch, der noch immer mit verstörtem Blick und leicht zittrigen Händen der Dinge harrte, die da auf ihn zukommen mochten. Schließlich landete er in Manzettis festem Griff vor der Luke von Obelix und wurde angeknurrt: „Zweimal Pistazie für den Mann, dem ich eben das Eis aus der Hand geschlagen habe.“
    Der Jugendliche, dem alle Kraft entwichen war, stand unsicher vor dem Eisverkäufer und sah Manzetti an, als wäre der eine riesige Anakonda. „Zweimal Pistazie“, brachte er schließlich hervor.
    „Im ganzen Satz. Zweimal Pistazie für den Mann …“, kommandierte Manzetti.
    „Zweimal Pistazie für den …“
    „Lauter!“, unterbrach Manzetti.
    „Zweimal Pistazie für den Mann, dem ich eben das Eis aus der Hand geschlagen habe.“
    Manzetti nahm die Eistüte und schenkte sie einem kleinen Mädchen, das an der Hand ihrer Mutter ungläubig die Szene verfolgt hatte. Sie bedankte sich brav, und Manzetti schickte den Jüngling weiter, der noch immer seine brennende Wange rieb und etwas in die Fusseln nuschelte, die seine Kumpel Bart nannten.
    Manzetti kam eine Viertelstunde später ohne weitere Zwischenfälle in der Direktion an. Dort wartete aber schon das Unheil in Person von Direktor Claasen auf ihn, angekündigt von Frau Freitag: „Herr Manzetti, der Chef möchte Sie dringend sprechen.“ Sie hob resigniert die Hände.
    „Anders als dringend wollte er mich noch nie sprechen.“
    Er ging den langen Flur entlang, bis er vor dem Büro Claasens noch einmal den Sitz seines Sakkos überprüfte. Mit dem Knöchel seines Zeigefingers klopfte er sacht an die Tür.
    „Herein.“ Der Bass des Direktors durchdrang mühelos die dicke Türfüllung.
    „Ah, Manzetti. Endlich!“ Claasen bedeutete dem Hauptkommissar, dass der auf dem Stuhl vor seinem Schreibtisch Platz zu nehmen hatte, und fuhr gleich fort: „Was ist hier los?“ Die Augen des Direktors sprangen nervös an Manzetti hoch und runter, während der sich setzte.
    „Bitte? Ich glaube, ich verstehe Ihre Frage nicht, Herr Direktor“, formulierte er äußerst vorsichtig. Er war auf der Hut.
    „Das glaube ich übrigens auch.“ Claasen schnippte einen Krumen von der immer noch auf Hochglanz polierten Tischplatte. „Wann gedenken Sie denn, etwas Licht in unsere Mordfälle zu bringen? Ich muss doch wohl nicht jemand anderen mit dieser Aufgabe betrauen, oder?“
    Die letzte Frage überging Manzetti mit einer frappierenden Leichtigkeit, denn allein der Umstand, dass er dann ja doch in den Urlaub fahren könnte, hielt Claasen sicherlich von der Umsetzung seiner Drohung ab. „Wir arbeiten mit viel Engagement, Herr Direktor, und bis an unsere Grenzen.“
    „Hören Sie doch auf, Manzetti!“, unterbrach Claasen, heute in einen bläulich schimmernden Anzug gehüllt. „Ihre Grenzen sind mir wohl bekannt.“
    „Bei allem Respekt vor Ihrer Person“, formulierte Manzetti mit unterdrückter Freude, „aber bislang sind wir von einem tragischen Unglücksfall in den Tiefen der Havel ausgegangen. Sie wissen schon, Herr Direktor. Jemand fällt ins Wasser und eine Schiffsschraube …“ Manzetti zog die linke Hand über seinen Kehlkopf.
    „Was reden Sie da für einen Quatsch. Wir haben zwei Morde, die sich wie eineiige Zwillinge gleichen“, empörte sich Claasen und hüpfte damit schnell über die Anspielung auf seine eigene Idee vom Vortag hinweg.
    Manzetti wartete ab.
    „Was haben Sie also bisher ermittelt?“, fragte der Direktor.
    „Wir stehen noch am Anfang, und das Motiv ist nicht einmal ansatzweise zu erkennen“, begann Manzetti und berichtete, was seine Kollegen und er schon herausgefunden hatten. Selbst von dem Wenigen ließ er noch große Teile weg, da zu befürchten war, dass die Einzelheiten

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