Havelwasser (German Edition)
Claasen zu sehr verwirren könnten.
„Gut. Was gedenken Sie nun zu tun?“
„Wir werden weiter mit Hochdruck ermitteln.“ Das sagte zwar alles oder auch nichts, reichte aber nach Manzettis Erfahrung für Claasen allemal.
„Und kein Wort zur Presse, Manzetti. Das mache ich ganz allein.“
Das kam Manzetti sehr gelegen, auch wenn das vom Direktor nun wahrlich nicht beabsichtigt war. Nach diesem glücklichen Ende des Gesprächs schlüpfte er in sein Büro und beorderte Sonja zu sich.
„Warst du schon in Potsdam?“, fragte er sie.
„Das haben wir noch nicht geschafft. Aber ich fahre gleich los. Versprochen.“ Tatsächlich fiel Sonja erst jetzt wieder ein, dass sie ja in das Pfarramt fahren sollte.
Da Manzetti es sich aber mittlerweile anders überlegt hatte, erhielt sie einen neuen Auftrag. Sie sollte über alle legal und auch illegal zugänglichen Quellen jede Information über Pfarrer Weinrich herausfinden und nur an ihn darüber berichten. Manzetti befürchtete nämlich, dass ihr Stöbern in Kirchenkreisen böse Geister wecken könnte, denen er lieber noch die eine oder andere Stunde Schlaf gönnen wollte.
Dann verließ er die Direktion und stand nach wenigen Minuten vor dem Hermann-Hesse-Gymnasium. Die Eingangstür war abgeschlossen, nicht einmal eine Klinke gab es. Er fragte sich, ob die Schüler vor Männern wie ihm oder ob er vor den Schülern beschützt werden musste.
„Ja“, drang es blechern aus der Wechselsprechanlage, nachdem er den vermutlich mit einem Feuerzeug angekokelten Knopf gedrückt hatte.
„Mein Name ist Manzetti, ich bin von der Polizei.“ Dann herrschte Ruhe. Deshalb wiederholte er: „Hallo, mein Name ist Manzetti, und ich möchte zum Direktor dieser Schule.“
„Ich komme doch schon“, versprach die blecherne Stimme. Das erneute Knacken verriet, dass die Konversation nunmehr beendet war.
Nach wenigen Minuten des Wartens in praller Sonne sah Manzetti einen gedrungenen Mann in blauer Arbeitshose und oben herum nur mit Hosenträgern bekleidet auf sich zukommen. In der rechten Hand hielt er einen Zigarrenstumpen à la Egon Olsen, und an seiner linken Seite klapperte ein großes Schlüsselbund. Aus dieser Uniform schloss Manzetti, erinnert an seine eigene Schulzeit, dass es der Hausmeister sein musste.
„Da haben Sie aber Schwein, wa. Der Direktor ist zu dieser unchristlichen Zeit sonst schon weg.“
„Das ist ja klasse“, sagte Manzetti und blickte auf seine Uhr, die gerade mal halb vier anzeigte. Unchristlich? Na gut, für einen Lehrer vielleicht, die hatten ja auch zu Hause noch ihren Unterricht vorzubereiten oder Arbeiten zu korrigieren. Er machte einen Schritt nach vorne, um sich am Hausmeister vorbeizuschlängeln.
„Stopp mal, Meister. Erst den Ausweis. Kann ja jeder kommen, wa.“ Der Mann baute sich mit seinem dicken Bauch in der Tür auf und bot keinen Zentimeter Durchlass.
Manzetti nestelte in seiner Sakkotasche und zog schließlich seinen Dienstausweis hervor, den der Hausmeister ihm aus der Hand riss und eingehend studierte. „Hier wollten schon die komischsten Typen rein. Sie verstehen doch sicher, wie ich das meine.“ Er trat zur Seite und ließ Manzetti endlich das kühle Schulhaus betreten.
„Erster Stock, zweite Tür links. Steht auch dran“, wies er Manzetti an, der hinter sich nur das Rasseln des Schlüsselbundes hörte, als der Hausmeister wieder abschloss.
„Und wie komme ich nachher raus?“, fragte er deshalb unruhig.
„Nu sind Sie ja erst mal drin, wa. Raus kann Sie doch der Direktor lassen.“ Der Hausmeister schlurfte wieder den langen Flur entlang, so als würde es ihn gar nicht geben. Entweder gab es an dieser Schule regelmäßig Besuch von der Polizei, oder diesem Mann war jede Neugier fremd.
Im ersten Stock klopfte Manzetti insgesamt dreimal erfolglos an die Tür des Direktors. Dann drückte er die Klinke runter, vorsichtig zwar, aber ohne Aufforderung von drinnen. Er stand im Sekretariat und war durch eine weitere Tür vom Büro des Schulleiters getrennt. Nach dem nächsten Anklopfen flirrte ein lasches „Herein“ bis an sein Ohr.
„Guten Tag. Ich bin Hauptkommissar Manzetti von der hiesigen Polizei“, stellte er sich vor und zückte sofort den Dienstausweis.
„Ich heiße Dreher, Ingo Dreher. Und ja, ich bin für das schlechte Pisa-Ergebnis zuständig. Und nein, ich bereue nichts.“ Der Mann hinter dem Schreibtisch trug ein verschwitztes Poloshirt und, soweit Manzetti es erkennen konnte, schwarze Jeans. Der ernste
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