Havelwasser (German Edition)
Donnerstage.“ Das Rascheln verriet ihm außerdem, dass sie die Decke wieder über ihren Körper gezogen hatte.
Im Zimmer von Paola traf Manzetti dagegen auf eine andere Situation. Zwei äußerst wache Augen blitzten ihn unter einem braunen Wuschelkopf an, dessen Herrichten er wohl besser an Lara delegieren würde. Seine kleine Maus sprang beim Anblick des Vaters blitzschnell aus dem Bett und rannte an ihm vorbei Richtung Bad.
„Die grüne Hose ziehe ich nicht an.“ Paolas Botschaft huschte an Manzetti vorbei, wie der Windzug, den der hastende kleine Körper in dem Zimmer erzeugte.
Manzetti eilte ihr hinterher und traf sie auf der Toilette sitzend an.
„Papa, ich bin schon eine Dame.“
„Oh, scusi. Ist es in Ordnung, wenn ich mich umdrehe?“
„Ja.“
Schnell drehte er seiner Kleinen den Rücken zu. „Warum willst du die grüne Hose nicht anziehen, Paola? Die Mama hat sie rausgelegt, und wenn wir nicht gehorchen, dann kriegen wir bestimmt Ärger.“Im Spiegel sah Manzetti, wie Paola ihre Finger beguckte und dann einen in die Nase steckte. „Igitt!“, sagte er.
„Du schummelst“, empörte sich Paola und fühlte sich ertappt.
„Warum nicht die grüne?“, kam Manzetti wieder zum Thema zurück.
„Weil Vanessa gestern die gleiche grüne Hose anhatte. Darum!“ Es fehlte nur noch das Basta ihrer Mutter.
„Welche Farbe ist dir denn recht?“, fragte er hilflos.
„Egal.“
Er verließ das Bad, um bei Lara Unterstützung zu suchen.
„Lara, steh jetzt endlich auf.“ Er versuchte, seiner Stimme einen energischen Klang zu verleihen.
„Ja … nur noch eine Minute.“
„Du musst aufstehen, sonst kommst du zu spät in die Schule. Außerdem will Paola nicht die Hose anziehen, die Mama ihr rausgelegt hat. Lara, hilf mir bitte, und leg ihr eine andere hin.“
„Fünf Euro“, lautete das Angebot seiner Tochter.
„Es reicht wohl nicht, dass ich von drei Diven umgeben bin, sie erpressen mich auch noch.“
„Fünf Euro.“ Lara verhandelte hart.
„Zwei“, bot Manzetti.
„Drei.“
„Okay. Dafür aber sofort und mit ihren Haaren.“
Als er kurze Zeit später in der Küche stand, hörte er, wie seine Töchter in Paolas Zimmer verschwanden. Für ihn die richtige Zeit, um auf den sonnigen Teil des Balkons zu treten und die zweite Tasse Kaffee zu trinken. Er legte sich seinen Tag zurecht. Was war zu tun? Zuerst mit Sonja reden und abgleichen, wie die Historie des Pfarrers mit der des Lehrers zusammenpasste. Dann einen Termin mit Frau Becker machen, um ungestört mit ihr reden zu können und …
Mitten in die Überlegungen polterten Lara und Paola. Sie setzten sich an den Küchentisch um zu frühstücken. Manzetti traute seinen Augen nicht. „Doch in Grün, junge Frau?“, hänselte er durch die Balkontür.
„Das ist die Farbe der Saison, Papa. Aber davon verstehst du nichts.“ Dann steckte Paola den Löffel mit Cornflakes in den Mund.
Lara blinzelte ihren Vater an und hielt ihm die offene rechte Hand hin. Manzetti kramte in seiner Hosentasche und holte drei einzelne Eurostücke heraus. Als Paola das im Augenwinkel wahrnahm, riss sie ihren Kopf mit den glatt durchgekämmten Haaren herum. Nur Bruchteile einer Sekunde später streckte auch sie ihre Hand aus.
„Wie viel?“, fragte der nun von zwei Verbrecherinnen bedrohte Manzetti.
„Zwei.“
„Wofür?“
„Schweigegeld.“
„Fünfzig Cent“, konterte er nach kurzem Zögern und sah, wie Lara in Richtung ihrer kleinen Schwester den Kopf schüttelte.
Paola sah von ihr zu ihrem Vater. „Einen Euro.“
„Du Biest“, knurrte er.
„Egal, Papa. Wie geht der Spruch, Lara?“
„Wir nehmen es den Reichen und geben es den Armen, wie Robin Hood.“ Lara grinste in Siegerlaune.
„Wenn ihr so weitermacht, dann bin bald ich der Arme.“
Paola rutschte von ihrem Stuhl und stellte sich mit geöffneten Händen vor Manzetti. „Das ist ja das Problem“, sagte sie und stemmte dann die Hände in die Hüften. „Aber wir müssen das ganze Geld auch noch vor Mama verstecken.“
Im Flur bekam er noch einen Kuss von Lara und ein flüchtiges „Ciao, Papa.“
Mit Paola an der Hand ging er durch die Heidestraße und landete, nachdem er mindestens einhundert Fragen in fünf Minuten beantwortet hatte, am Kindergarten. Auf dem Weg zur Direktion wuchs wie jeden Donnerstag die Achtung vor Kerstin und ihrem Organisationstalent. Sie dirigierte mit den Augen, sagte alles nur einmal, und Widerreden gab es nicht.
Aber heute wanderten seine Gedanken
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