Havelwasser (German Edition)
gewesen und war es auch heute noch. Dass sie allerdings nun ständig mit älteren Jugendlichen zusammen war, konnte auch Probleme mit sich bringen.
„Ach diese Jennifer. Ja, ich glaube, ich weiß, wen du meinst.“
„Also, die Jennifer …“, sagte Lara, ließ sich aber vom Klingeln des Telefons unterbrechen.
„Was ist mit ihr?“, forderte Manzetti seine Tochter auf, einfach weiterzureden.
Sie schaute ihn allerdings nur abwartend an und traute dem Frieden nicht. Aber Manzetti machte keine Anstalten, an den Apparat zu gehen. Deshalb fragte sie vorsichtshalber nach. „Willst du nicht wissen, wer da anruft?“
„Nein, will ich nicht.“
„Wirklich nicht?“
„Wenn es wichtig ist, dann kann dieser Jemand ja eine Nachricht auf dem Anrufbeantworter hinterlassen, oder?“ Manzetti versuchte, überzeugend zu klingen.
Lara nickte und machte einen neuerlichen Versuch. „Also, die Jennifer ist doch so etwas wie meine Freundin und sie wird heute achtzehn.“ Sie fügte eine Pause ein, um die alles entscheidende Zahl auf ihren Vater wirken zu lassen. Achtzehn, davon war sie wohl überzeugt, das musste auch in seiner Jugend ein besonderer Geburtstag gewesen sein.
Manzetti blieb jedoch völlig ruhig und fast desinteressiert, was sie schon ein bisschen als Niederlage empfinden musste. Lara konnte nicht ahnen, dass ihr Vater auf das fünfte Klingeln und den dann anspringenden Anrufbeantworter wartete.
Vater und Tochter trauten sich nicht, irgendeine Bemerkung zu machen. Bei Lara lag es daran, dass sie jedes Wort mit Bedacht wählen und sehr viel Pathos mitschwingen lassen wollte, und Manzetti konzentrierte sich eben auf das Telefon. Diese inneren Anspannungen trennten beide wie eine spanische Wand.
Nach dem fünften Klingeln sprang endlich die Bandansage an, und dann ertönte das erlösende Piepen. „Manzetti, Bremer hier. Ich habe die Isotopenanalyse durchgeführt. Afrika. Beide waren im südlichen Afrika. Rufen Sie mich zurück. Ich bin noch etwa eine Stunde im Institut.“ Dann knackte es, und Manzettis aufmerksamer Blick stellte sich wieder auf das hübsche Gesicht seiner Tochter ein. „Achtzehn wird sie also heute. Und da bist du noch hier?“, fragte er und sah sich bemüßigt, eine Bemerkung anzufügen. „Bei uns war das ein ganz besonderes Ereignis. Achtzehn wird man schließlich nicht alle Tage.“
Darauf hatte Lara offensichtlich gelauert. Schnell umschlang sie mit beiden Armen ihren Vater und kuschelte sich ganz fest an seine Brust. „Ich wusste, dass du mich verstehst, Papa“, sagte sie überschwänglich. Mit diesem Lob wollte sie ihn ködern, und sie glaubte, ihn schon so gut wie am Haken zu haben. Deshalb formulierte sie den folgenden Satz wie die logische Folge ihres Gesprächs, und als sei alles Weitere eine reine Formsache. „Nicht heute. Jennifer will erst am nächsten Samstag feiern, und ich könnte bei ihr schlafen.“
„Was sagen ihre Eltern dazu?“
„Die sind einverstanden. Außerdem sind sie an dem Wochenende in Warnemünde zu irgendeinem Ärztekongress.“ Lara musste jetzt eigentlich nur noch den Übergang zu der Stelle finden, wo ihrem Vater ein eindeutiges Ja abzuringen war, und dann hätte sie Zeit, um sich zu überlegen, was sie anziehen würde.
Sie konnte allerdings nicht ahnen, dass Manzetti, der nichts gegen eine kleine Geburtstagsfeier einzuwenden gehabt hätte, meilenweit davon entfernt war, seiner Tochter eine Erlaubnis für eine Party mit achtzehn- oder zwanzigjährigen Jugendlichen zu erteilen. Er malte sich nämlich gerade aus, wie das ablaufen könnte, und er war sich sicher, dass seine vierzehnjährige Tochter dort ohne Aufsicht noch nichts zu suchen hatte.
Außerdem, und das war der eigentliche Grund für seine Bedenken, erfüllte rasende Angst sein Innerstes. Angst, dass seine Tochter Gefahren nicht erkannte, die ihm selbst beim kurzen Einnicken im Auto durch den Kopf gejagt waren. Er wollte Lara nicht zu dieser Party gehen lassen, hatte aber auch Schwierigkeiten mit ihrem einnehmenden Charme. Mit dieser Ambivalenz lebte er nun schon seit ihrer Geburt.
Manzetti griff zu dem einzig probaten Mittel. „Was sagt Mama dazu?“
Lara ließ ihn sofort los und setzte sich offensichtlich verbockt aufs Sofa. „Ich wusste, dass du mir nicht helfen willst.“
„Wieso will ich dir nicht helfen?“, fragte er naiv. „Aber wir können Mama nicht einfach übergehen.“
„So heißt das also“, prustete Lara heraus. „ Wir können Mama nicht übergehen . Wie nennst
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