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Havelwasser (German Edition)

Havelwasser (German Edition)

Titel: Havelwasser (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jean Wiersch
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Brandenburg. Da kann es doch sein, dass ein Friedhof groß ist.“
    „Kann es normalerweise nicht, denn dort war der Friedhof erst drei Jahre alt. Daran können Sie ermessen, wie hoch die Todesrate ist.“
    „Was hat das aber nun mit Ihrem Mann zu tun?“
    „Ach ja. Die jungen Mädchen sind in Sachen Sex nicht so verbissen oder so prüde wie hierzulande, auch wenn es in Deutschland einigen älteren Damen mit dem Treiben unserer Jugend schon viel zu weit geht. Es haben also immer mehr Mädchen versucht, sich an ihn heranzumachen. Und er hat sie alle genommen. Junge, ganz junge und auch Kinder.“
    „Haben Sie deshalb Afrika verlassen?“
    „Nein. Er musste zurück. Das stand so in seinem Vertrag. Aber irgendwann wollte er wieder hin.“
    „Und Sie?“
    „Ich auch“, antwortete Verena Becker gequält, obwohl sie offensichtlich ihren Rhythmus wiedergefunden hatte und damit auch ihre Sicherheit.
    „Als Tierärztin, nehme ich an. Aber gibt es hier nicht auch Tiere, um die Sie sich kümmern könnten?“
    „Das mache ich doch, wie Sie ja wissen. Aber dort sind die Tiere bedroht. Hier nicht.“
    „Was verstehen Sie unter bedroht, Frau Becker?“ Manzetti ließ es zu, dass sie vom Thema abkamen, und fragte wirklich interessiert. „Was ich bislang durch das Fernsehen mitbekam, ist alles andere als eine Bedrohung. Es ist sogar vorbildlich“, behauptete er und dachte an verschiedene Projekte, in denen sogar riesige Nashörner umgesiedelt wurden. Er schaute Verena Becker herausfordernd an und erschrak.
    Sie war knallrot angelaufen, und ihre Halsadern drohten zu bersten. Wie von der Tarantel gestochen sprang sie auf und wuchs auch körperlich über sich hinaus. Sie schoss auf Manzetti zu wie eine Speikobra, ihr Gift immer zielsicher versprühend. Ihr Lächeln war längst erloschen. „Vorbildlich. Habe ich das richtig verstanden? Sie alberner Macho nennen das vorbildlich? Sie kaufen Ihrer Frau einen Nerz und finden das vorbildlich? Sie kaufen eine Krokotasche und finden das vorbildlich?“
    Verena Becker schrie in immer schrilleren Tönen, und immer schneller folgte ein Vorwurf dem nächsten. Manzetti, der noch nie einen Pelz gekauft hatte, fühlte sich ungerechtfertigt angegriffen. Gerade er, der sich dem Naturschutz verbunden fühlte und der als junger Student dafür selbst auf Demos herumgelungert hatte, sollte nun schuld an allem sein? Nein, das ging entschieden zu weit.
    Aber er fand keine Gelegenheit, sich zu rechtfertigen. Verena Becker hatte ihre Schimpfkanonade noch nicht beendet. Sie steigerte sich sogar noch, ihre Stimme überschlug sich, Manzetti konnte sie nicht einmal mehr verstehen, und sie sah aus, als würde sie jeden Augenblick handgreiflich. Sie baute sich vor dem noch sitzenden Manzetti auf und gestikulierte bedrohlich nah. Nur Zentimeter trennten ihre wütenden Finger von seinem Gesicht.
    Erst als er aufstand, einsfünfundachtzig groß und fast hundert Kilo schwer, beruhigte sie sich etwas.
    „Raus“, sagte sie noch immer sehr laut. „Gehen Sie und kommen Sie nie wieder.“
    Vor der Wohnungstür atmete er tief aus. Zwei in dunkle Höhlen gebettete Augenpaare blickten ihn durch einen Türspalt gegenüber an. „Habe ich Ihnen nicht gesagt, dass sie wild ist?“
    Manzetti ging wortlos die Treppe hinunter und spürte die überlegenen Blicke von Anna Ratzmann im Nacken.

17
    Nach dem Abendessen teilte Kerstin Manzetti die Familie wie immer in zwei Teile. Einer, und dazu hoffte Manzetti regelmäßig nicht gehören zu müssen, beschäftigte sich mit dem Abräumen des Tisches sowie dem Abwasch. Heute waren Lara und Paola dran, während er sich mit seiner Frau ins Arbeitszimmer setzte bzw. von Kerstin dorthin zitiert wurde. Es gab offensichtlich in Abwesenheit der Kinder einiges zu besprechen. Allerdings nahm Kerstin der Situation geschickt mit zwei Grappagläsern in der einen Hand sowie einer Flasche Ronergrappa in der anderen die Bissigkeit. Die lockere Atmosphäre tat ihm gut.
    Der Südtiroler Grappa aus dem Hause Roner gehörte zu Manzettis Lieblingsgetränken, unter anderem, weil er bis zur Reife im Holzfass gelagert wurde und dadurch seine goldgelbe Farbe annahm. Er schmeckte noch dazu seidenweich.
    „Hat Lara schon mit dir gesprochen?“ Kerstin sah zu ihrem Mann.
    „Hat sie, wenn du ihren Partywunsch meinst“, antwortete er etwas unwirsch und setzte jenes jungenhafte Lächeln auf, das an ihr Verständnis für seine Lage appellieren sollte.
    „Den meine ich. Und, wie hast du dich

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