Havelwasser (German Edition)
Isotopenanalyse von Bremer. Und das Ergebnis kannte er erst seit ein paar Minuten. Also zog er die Schultern nach oben.
„Wissen Sie, Europäer haben komische Vorstellungen von afrikanischen Verhältnissen. Namibia ist das beste Beispiel. Alle glauben, dass bei nicht einmal zwei Millionen Einwohnern jeder jeden kennt, und bei der Handvoll Weißen müsste das dann ja überhaupt kein Problem mehr sein.“
„Das habe ich nicht gesagt“, verteidigte er sich und trank aus dem Wasserglas.
„Namibia ist mehr als zwei Mal so groß wie die Bundsrepublik. Da kann man nicht dauernd mit jedem zusammentreffen.“
„Hatte Ihr Mann Feinde? Gab es irgendwelche Leute, die ihm gedroht haben?“ Manzetti sprang mehr von Frage zu Frage. Es war keine in sich schlüssige Vernehmung.
„Eigentlich nicht.“ Sie war sich wieder recht sicher und lehnte sich im Sessel ganz nach hinten. Es sah so aus, als würde sie alles Wichtige gesagt haben und nun Manzetti kommen lassen wollen.
„Woran ist Ihre Ehe gescheitert, Frau Becker?“
Auch darauf schien sie gewartet zu haben.
„Es waren wohl unsere Berufe. Er war Lehrer und ich Tierärztin. Er also an einen Ort gebunden und ich dauernd unterwegs. Ich pendelte zwischen den verschiedenen Farmen und kümmerte mich auch noch um den Wildbestand.“
„Hm“, machte Manzetti. „Dann haben Sie sich also schon in Namibia auseinandergelebt?“
„So kann man es sagen, aber wir haben es dort gar nicht so richtig wahrgenommen und geglaubt, hier würde alles besser.“
„Frau Becker … die nächste Frage stelle ich Ihnen mit einem unguten Gefühl. Ich muss sie aber stellen“, druckste Manzetti.
„Nur zu“, forderte sie und lächelte ermunternd.
„Hat Ihr Mann Ihre häufige Abwesenheit vielleicht genutzt, um sich sexuell anderweitig umzutun?“
Sie schloss die Augen und nahm einen tiefen Zug. Vor ihrem Mund leuchtete die Glut hellrot auf, als sie mit einer Gegenfrage antwortete. „Sie meinen, ob er mich betrogen hat?“
„Ja.“
„Das weiß ich nicht.“
„Kann es sein, dass er sich an kleinen Mädchen vergangen hat?“
Diese Frage beantwortete sie nicht wie aus der Pistole geschossen. Ihr Blick wurde abwesend. Verena Becker versank in sich selbst. Ihr Lächeln verschwand zwar nicht, aber es erstarrte.
„Haben Sie meine Frage verstanden?“
Dann kam sie urplötzlich zurück. Sie sah Manzetti hoch konzentriert ins Gesicht und setzte sich sehr aufrecht auf die vorderste Kante des Sessels. „Wie kommen Sie darauf?“ Die Frage klang nicht so, wie es Manzetti erwartet hätte. Es war keine Entrüstung darin, kein Protest. Es war Interesse, pure Neugier, die darin mitschwang.
„Wir haben einen Brief, eine Art Bekennerschreiben. Es könnte vom Mörder stammen, und darin steht, dass Ihr Mann … dass er …“ Manzetti suchte nach den richtigen Vokabeln.
„Sie meinen, dass er es mit Kindern getrieben haben soll?“
„Ja“, bestätigte er.
Wieder trat eine Pause ein. Eine Weile schwieg sie und dachte nach. „Also gut, ja, er hat es mit Kindern getrieben. Und weil ich nicht protestiert habe, weil ich nicht so richtig eifersüchtig reagierte, hat er sich wohl keinerlei Zwang auferlegt.“
„Empfanden Sie das nicht als ziemlich widerlich?“
„Sie haben wirklich keine Ahnung von Afrika.“
„Dann erklären Sie es mir.“
„Die dunkelhäutigen Mädchen dort sind anders als die Gleichaltrigen hierzulande. Sie sind mit dreizehn nicht nur geschlechtsreif, wie übrigens unsere auch, nein, sie sind auch erwachsen. Und damit heiratsfähig. Also beginnen sie zu werben oder lassen sich umgarnen, und Martin tappte in die ausgelegten Netze. Er konnte dem Werben eines schwarzen Mädchens nicht mehr widerstehen.“
„Wie meinen Sie das?“
„Hier würde man sagen, dass sie ihn angebaggert hat. Und Martin hat sie gevögelt. Ganz so, wie es in Afrika üblich ist.“
„Sie meinen, dass daran niemand Anstoß nimmt?“
„Stellen Sie sich doch nicht so an, Herr Manzetti. Was glauben Sie denn, warum dort diese enorm hohe Aidsrate herrscht? Selbst in Namibia, dem für afrikanische Verhältnisse weit entwickelten Land, sind dreißig Prozent der Menschen an Aids erkrankt, und von diesen sind vierzig Prozent jünger als fünfundzwanzig Jahre. Ich war mal zu einem Begräbnis auf einem Friedhof in Katutura, einem Vorort von Windhoek, in dem nur Schwarze leben. Er war etwa so groß wie der Gördenfriedhof in Brandenburg …“
„Windhoek hat aber auch wesentlich mehr Einwohner als
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