Havelwasser (German Edition)
zurück, mein Guter.“
Dann legte Dr. Bremer auf, und Manzetti versuchte, Fragen zu formulieren, die er dringend an Frau Becker richten musste.
16
Als die Tonbandstimme die Haltestelle Kanalstraße ankündigte, stand Manzetti schon an der Tür. Er trat auf den Gehweg und war augenblicklich wieder von schwüler Hitze umhüllt. Deshalb ging er nicht oben auf dem gepflasterten Weg weiter, sondern lief unten am Stadtkanal entlang, wo die riesigen Weiden genug Schatten boten. Außerdem konnte er so den Booten zuschauen und neidisch auf die Besitzer sein, denn die waren wie viele andere Brandenburger zu dieser Tageszeit bereits auf dem Wasser.
Martin Becker. Wenn er wirklich ein Kinderschänder war, und davon musste er ausgehen, dann konnte er nicht ausschließen, dass ein wütender Vater Polizei und Justiz misstraute und den Lehrer umgebracht hatte. Das gleiche Schicksal hatte wohl auch Weinrich getroffen, davon war Manzetti mittlerweile überzeugt. Aber wo war die Verbindung nach Afrika und warum die Münzen und das Rauschgift in den Schuhen? Er stellte sich diese Fragen immer wieder und in schneller Folge, und bei jedem geistigen Umlauf kamen andere hinzu.
Endlich stand er an der Wohnungstür der Beckers. Er hatte Glück, denn Frau Becker öffnete ihm, mit einem strahlenden Lächeln. „Kommen Sie rein, Herr Manzetti. Darf ich Ihnen etwas zu trinken anbieten?“, fragte sie mit einladender Geste.
„Ein kaltes Wasser vielleicht“, antwortete er und trat an ihr vorbei in den Flur.
Verena Becker überholte ihn und wies ihm einen Platz im Wohnzimmer zu. Sie selbst verschwand in der Küche, von wo dann lautes Geklapper zu vernehmen war.
„Was kann ich für Sie tun?“, fragte sie, als sie Manzetti nach wenigen Sekunden ein Glas Wasser hinhielt.
Aber der war schon wieder verunsichert. Diese Frau war ihm immer noch ein Buch mit sieben Siegeln und sie erreichte, dass der erfahrene Ermittler vollkommen aus dem Konzept kam. Dann rettete ihn ein Gedanke. Endlich fiel ihm ein, was er neulich bei ihr vermisst hatte. Es war nicht nur die fehlende Trauer. Es war auch die nicht gestellte Frage, die normalerweise alle Angehörigen von Mordopfern interessierte. Deshalb hakte Manzetti genau da nach. „Interessiert Sie gar nicht, wer Ihren Mann getötet hat und warum?“
Sie sah ihn mit äußerst wachen Augen an. „Schon. Aber Sie sind doch noch nicht hier, um mir das mitzuteilen, oder?“
Wie konnte sie das wissen? Manzetti sah auf ihre Hände, die eine Zigarette aus einer Schachtel fingerten. „Es stimmt. Das haben wir noch nicht ermitteln können. Aber wir sind auf dem besten Weg“, sagte er schließlich.
Frau Becker nickte zustimmend, was Manzetti noch nervöser machte. Sie aber strich seelenruhig die Asche in ein silbernes Gefäß.
„Darf ich Ihnen einige Fragen stellen?“
„Bitte“, sagte sie trocken.
„Kennen Sie einen Mann mit dem Namen Weinrich?“
Sie schaute kurz zur Zimmerdecke und antwortete mit sicherer Stimme: „Nein. Habe ich nie gehört. Wer soll das sein?“
„Der erste Tote in diesem Fall. Auf die gleiche Weise umgebracht wie Ihr Mann.“
Wieder nickte sie. „Kenne ich trotzdem nicht“, sagte sie noch einmal und drückte die Zigarette in dem silbernen Aschenbecher aus.
„Besteht die Möglichkeit, dass Ihr Mann Weinrich kannte?“
„Das ist also die Richtung, in die Sie augenblicklich ermitteln?“, fragte Verena Becker plötzlich.
Manzetti musste sich auf die Zunge beißen, um nicht mit einer unbedachten Äußerung zu antworten. Frau Becker beendete unterdessen die kurze Pause mit einer weiteren Frage. „Woher sollte er diesen Weinrich kennen? War der auch Lehrer?“ Ihre letzte Frage klang künstlich.
„Nein, aber er lebte wie Sie einige Zeit in Namibia.“ Manzetti legte ein Foto auf den Tisch, auf dem Weinrich eine schwarze Soutane trug und unbeteiligt in die Kamera schaute. Er hatte es aus dem Pfarramt mitnehmen dürfen.
„Namibia ist groß, Herr Manzetti“, sagte sie ohne nachzudenken und mit der nächsten Zigarette zwischen den Lippen. Die Antwort kam schnell, und Manzetti hatte das Gefühl, als sei sie darauf vorbereitet gewesen.
„Wir wohnten in Windhoek und dann im Okahandjabezirk. Wo soll denn dieser Weinrich gelebt haben?“, fragte sie und reichte das Foto wieder zurück.
Manzetti musste zugeben, dass er dazu nichts sagen konnte. Wie denn auch. Es war reine Spekulation, dass Weinrich sich dort aufgehalten hatte, und er stützte sich lediglich auf die
Weitere Kostenlose Bücher