Havelwasser (German Edition)
du es, wenn sie entscheidet, ohne dich zu fragen?“
Manzetti überlegte kurz, fand aber keine Erklärung, die ihm half, die Wahrheit zu umschiffen. Er blickte hilflos auf Lara, die wie eine Diva mit angezogenen Beinen auf dem Sofa saß. „Lara, das ist etwas anderes. Mama ist nun mal der Chef hier, und es geht uns doch gut mit dieser Variante, oder? Wenn sie dich lässt, dann hast du auch meinen Segen.“
Begeisterung sprach nicht aus ihrem Gesicht, aber sie kannte ihre Eltern und musste sich eingestehen, dass sie an dieser Stelle nicht weiterkam. Bevor sie wieder in ihrem Buch zu lesen begann, fragte sie ihn mit einem resignierten Ausdruck um die Mundwinkel. „Kannst du wenigstens ein gutes Wort für mich einlegen?“
„Das mache ich“, konnte Manzetti leichten Herzens versprechen, wohl wissend, dass es nichts ändern würde. „Was liest du da eigentlich?“
Lara sah auf das Buch in ihrer Hand, als sie antwortete. „Das ist dieses Buch von der Tagesschausprecherin über die Rolle der Frau in Beruf und Familie.“
Manzetti hatte einiges darüber gehört und, ohne es gelesen zu haben, lehnte er die Schlussfolgerungen der Autorin ab. „Wo hast du denn das her?“, fragte er verblüfft.
„Von Oma Angela. Sie hat es mir geschickt. Wir sollten es mal Mama geben, hat sie gesagt. Dann wärst du der Chef hier.“
„Von Oma Angela?“ Ihm fiel es schwer, das zu glauben, denn seine Mutter war alles andere als konservativ. Sie war eher eine Anhängerin der italienischen Sozialisten und kämpfte für die Gleichberechtigung der italienischen Frau, was kein einfaches Unterfangen war.
„Das soll dir Oma Angela geschenkt haben?“ Manzetti konnte es noch immer nicht fassen.
Lara klappte den Einband auf und hielt das Buch so ihrem Vater hin. Der erkannte die Handschrift seiner Mutter und las die Erklärung. „Alles Quatsch, mein Schatz“, stand dort mit schwarzer Tinte in der ihm so vertraut geschwungenen Eleganz.
Wieder beruhigt, zog er sich ins Arbeitszimmer zurück und wählte die Nummer von Bremer. Nach kurzem Klingeln nahm der Rechtsmediziner ab. „Bremer, vielen Dank für Ihre Mühe.“
„Es war keine Mühe, Manzetti“, erklärte Dr. Bremer. „Ich habe nur eins und eins zusammengezählt und nach Isotopen gesucht, die im südlichen Afrika anzutreffen sind.“
„Wie kamen Sie aber auf diesen geografischen Raum?“, fragte Manzetti und bereute die dilettantische Frage gleich wieder, denn die Antwort lag klar auf der Hand, auch wenn Bremer nicht mit im Hermann-Hesse-Gymnasium gewesen war.
„Sie haben mir doch erzählt, dass Becker sich eine Frau aus Namibia mitgebracht hat, oder? Da lag es nahe, dass wir damit anfangen, Sie Kriminalist.“ Bremers kleiner Ellbogencheck klang hart, war aber die gerechte Quittung für Manzettis unüberlegte Frage.
„Was Sie aber mehr interessieren wird“, setzte Bremer, offenbar in Eile und deshalb ohne Unterbrechung fort, „sie waren nicht zur selben Zeit dort. Mit ein bisschen Fantasie könnte man von der Übergabe eines Staffelstabes reden.“
„Wie meinen Sie das?“, unterbrach Manzetti neugierig.
„Die Isotopeneinlagerungen in den Körperzellen von Weinrich sind älter als die in Beckers Körper. Ich kann bei den Zeiträumen, um die es hier geht, nicht ganz exakte Eingrenzungen vornehmen. Aber es könnte sein, dass der Aufenthalt Weinrichs in Afrika endete, als der von Becker begann.“
Manzetti überlegte kurz, was mit dieser Information anzufangen war, und fragte dann nach: „Wie lange waren beide denn ungefähr dort?“
„Ich würde sagen so fünf bis sieben Jahre, und das ohne große Unterbrechungen. Also deutlich länger als ein normaler Urlaub. Auch Weinrich scheint dort gelebt zu haben.“
„Haben Sie noch etwas?“, stocherte Manzetti weiter.
„Nicht in dieser Angelegenheit.“ Dr. Bremer machte eine Pause, um die nächste Frage von Manzetti zu provozieren, die der auch prompt stellte.
„In welcher Angelegenheit hätten Sie denn noch was?“
„Gut dass Sie fragen, Commissario. Was mache ich mit der Leiche des Obdachlosen?“, fragte Bremer und benutzte wie immer, wenn er etwas von Manzetti brauchte, die italienische Bezeichnung seines Dienstgrades.
„Den benötige ich nicht mehr, Bremer. Ich werde bei der Staatsanwaltschaft anrufen und um die Freigabe bitten. Dann kann der Leichnam bestattet werden.“
„Danke, Manzetti.“
„Ich danke Ihnen. Damit haben Sie einen Wunsch offen bei mir.“
„Ich komme bei Gelegenheit darauf
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