Havelwasser (German Edition)
Stück Kuchen, wa. Danke, Herr Kommissar.“
Dann ging Manzetti weiter und betrat einen Obst- und Gemüseladen. Manzetti nickte der dicken Verkäuferin zu und nahm abgepackte Äpfel hoch, von denen einer aussah wie die Kopie des anderen, legte sie aber wegen genau dieser Unnatürlichkeit wieder hin. Das Gleiche machte er mit einer Schale Erdbeeren und einem Kopfsalat, der zwar keinen Zwilling zu haben schien, aber ausschaute, als würde er sich hundert Jahre halten. Ohne die zänkische Bemerkung der dicken Frau zu erwidern, verließ er den Laden und trat auf den Katharinenkirchplatz.
Dort blieb er gleich am ersten Stand stehen und nahm sich eine Fünfhundert-Gramm-Schale mit Erdbeeren, in der die märkische Erde mindestens fünfzig Gramm ausmachte und die vermutlich nicht ganz so stark gedopt waren wie die geruch- und geschmackslosen Models aus holländischen oder spanischen Gewächshäusern.
„Noch Spargel?“, fragte der Mann hinter den Kisten und hielt Manzetti zwei Hände voll weißer Stangen entgegen. „Nur zwei Euro das Kilo.“ Manzetti lehnte dankend ab, denn er hatte nur Lust auf Erdbeeren mit viel Schlagsahne, weil diese süße kulinarische Sünde ihm schon sein Leben lang beim Vertreiben von Depressionen und Misslaunen geholfen hatte.
Im Treppenhaus zu seiner Wohnung erkannte sein geschulter Blick, dass er die Erdbeeren doch teilen müsste und das Freitagsbad mit Kerstin heute wohl ins Wasser fallen würde, denn vor seinen Füßen verteilten sich völlig ungeordnet zwei Paar Schuhe. Zusammen mit einer Schulmappe stellten sie ein still lebendes Ensemble dar.
Manzetti hängte sein Sakko auf einen Bügel und war bereit, sich ins Getümmel zu werfen. Doch er stand wie angewurzelt und hatte noch die Türklinke in der Hand, als ihn drei Augenpaare anstarrten. Selbst Kerstin war zum Verband der Taubstummen übergetreten, und seine drei Frauen betrachteten ihn, als würden sie auf die Formulierung seines letzten Wunsches warten, um sich dann endlich bekreuzigen zu können.
„Was ist?“, fragte er ausgestattet mit hochsensiblen Antennen und schloss hinter sich die Tür. Plötzlich bemerkte er auch, dass keine Gerüche nach Essen, nach Oregano und Basilikum durch die Wohnung zogen und dass alle drei Jeans und T-Shirt trugen sowie mit einer Umhängetasche ausgestattet waren.
„Wollt ihr weg? Gibt es gar nichts zu essen heute?“, fragte er etwas unbeholfen.
„Kommst du nicht mit, Papa?“ Es war Paola, die die Stille durchbrach und Manzetti die nächste Frage hervorlockte. „Wohin denn?“
Kerstin löste sich aus der Troika und stellte ihre Tasche auf den großen Esstisch. „Andrea, hast du dein Handy nicht an? Wir sind schon heute bei Irene und Herbert eingeladen, weil beide morgen in ein Konzert wollen. Ich habe das alles auf deine Mailbox gesprochen.“ Sie stand unmittelbar vor ihm und nahm ihm die Erdbeerschale ab.
„Das Handy …“ Er musste nicht lange überlegen, bis ihm einfiel, dass er es vor dem gestrigen Treffen mit Hartung in der Kirche auf lautloses Vibrieren gestellt hatte und genau das bei Kerstins Anruf nicht spüren konnte. Er hätte das Sakko doch nicht über der Schulter tragen sollen.
„Dann kommst du eben mit dem Taxi nach, Papa“, schlug Lara vor und erntete von ihrer kleinen Schwester eifrige Zustimmung.
„Ja, das wird das Beste sein. So kann ich noch duschen und mich umziehen.“ Zum Abschied küsste er eine nach der anderen und schnappte sich, nachdem die Tür ins Schloss gefallen war, die Erdbeeren, die er stolz und mit einem freudigen Lächeln in die Küche trug. Auf dem Weg dahin hörte er in Gedanken bereits, wie die Sahne zentnerweise aus der Sprühflasche quoll, und beschleunigte seinen Schritt.
19
Zufrieden saß Manzetti zwei Stunden später im Fond eines Taxis. Er hatte gebadet und jede Erdbeere tief in die Schüssel mit Schlagsahne gedrückt, bevor sie in seinen Mund gewandert war. Nun fühlte er sich so gut wie lange nicht und war weit genug entfernt von der Direktion und den dort herrschenden Problemen. Er konnte also ungestört ins Wochenende eintauchen.
Manzetti reichte dem Fahrer zwanzig Euro und schlenderte um das Haus der Jahns herum, dem großen Garten entgegen, denn aller Wahrscheinlichkeit nach saßen sowohl Herbert und Irene als auch seine drei Frauen dort auf dem Rasen oder zumindest auf der Terrasse. Die Jahns hatten sich an einem der zahlreichen Seen ein wunderschönes Haus gebaut. Es war riesig, eigentlich für die beiden viel zu groß, und
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