Havelwasser (German Edition)
Manzetti durchaus richtig, weiter in diese Richtung zu denken, und im Grunde war ihm schon klar, dass er mit einer trügerischen Ruhe in sein Wochenende gestartet war. Er entschloss sich, die Dinge, die er eigentlich für Montag vorgesehen hatte, schon morgen zu erledigen. Er griff zu seinem Handy und wählte eine Nummer aus dem Speicher.
„Frau Becker?“
„Ja.“
„Manzetti hier. Ich müsste Sie dringend sprechen. Es geht noch einmal um den Mord an Ihrem Mann. Vielleicht passt es Ihnen jetzt oder morgen?“
„Wollen Sie mich wieder beleidigen?“
„Nein, und wenn das der Fall war, dann entschuldigen Sie bitte.“
„Morgen? Da müssen Sie aber in den Tierpark kommen. Bringen Sie doch einfach Kerstin und Ihre Kinder mit und klingeln mich wieder an, wenn Sie auf dem Gelände sind.“
„Wann?“
„Ich bin den ganzen Tag im Park. Sie finden mich im Dickhäuterhaus.“
Während Manzetti auflegte, wandte er sich wieder Herbert zu. „Eine Frage habe ich noch.“
„Und die wäre?“
„Was für ein Mensch ist Rechtsanwalt Gutendorf?“
Herbert fiel in sich zusammen, ja, er zuckte sogar einmal kurz, als überfielen ihn urplötzlich gewaltige Zahnschmerzen. „Finger weg, Andrea. Der Mann ist gefährlich.“
„Zu spät“, antwortete Manzetti und fühlte sich gar nicht mehr wohl.
20
Manzetti hatte beschlossen, für heute Abend all die Beckers, Weinrichs und Gutendorfs dieser Welt in Ruhe zu lassen, und folgte Herbert Jahn auf die Terrasse. Wenn es ans Grillen ging, war hier das Refugium des Hausherrn, und nur die kleine Paola durfte ihm bei dieser Arbeit, die er geflissentlich zur Wissenschaft aufwertete, zur Hand gehen. Ihr allein räumte der alte Richter ein, seine Lebensweisheiten zu Steak medium oder Riesengarnelen in Knoblauchmarinade abzuschöpfen.
Als Manzetti durch die große Tür aus dem Wohnzimmer trat, hatte seine kleine Tochter den wokartigen Grill schon aus der Garage über den Rasen bis vor die Rosensträucher gezerrt und präsentierte stolz ihre schwarzen, fettverschmierten Hände.
Herbert, der mitten auf der Terrasse stand, merkte man an, dass er von seiner jungen Assistentin sehr angetan war. Er stürmte auf Paola zu, hob sie hoch und drückte sie kräftig, während sich seine Lobesworte über ihren Einsatz fast überschlugen. Die Warnung seiner Frau, sich von Paola fernzuhalten, hatte er überhört, und nun zeichneten sich kleine schwarze Finger auf dem Rücken seines weißen Hemdes ab.
Manzetti nahm sich ein Glas Rotwein und stellte sich abseits. Er suchte Abstand, sehnte sich nach seinen Parallelwelten, in denen er abschalten und grübeln konnte. Ungestört und vielleicht sogar ohne Ergebnis. Er sah auf die sattgrünen Sträucher vor sich, auf die Dahlien, die gelb und blutrot kräftige Farbtupfer vor der geschlossenen Hecke bildeten, und er schaute über die Hecke hinweg bis hin zum einige Hundert Meter entfernten Birkenhain.
Sein Tunnelblick auf diese Idylle dämpfte auch die Geräuschkulisse im Hintergrund. Es wurde still um ihn, und er war bereit, in dieser Ruhe zu versinken, als eine ganz leise und zarte Berührung an seinen Hüften ihn in die Realität zurückholte. Zwei warme Hände schoben sich zu seiner Taille hoch, dann nach vorne und vereinigten sich über seinem Bauchnabel, genau in dem Moment, in dem Kerstins Brüste sich an seinen Rücken pressten.
„Ich liebe dich“, sagte sie und schmiegte ihren Kopf an seine Schulter.
„Ich dich auch“, antwortete Manzetti, und sie wusste, dass er zu einer üppigen Erwiderung im Moment nicht in der Lage war. Trotzdem hatten diese drei Worte nichts gemein mit der lapidaren Floskel, sondern bedeuteten tiefste, innerste Gefühle.
„Ich würde dir gerne helfen“, sagte Kerstin und ließ ihre Finger von seinem Bauchnabel bis zur Brust tanzen, wo sie wieder verharrten.
„Ich weiß. Aber es ist besser, wenn ich dich dieses Mal nicht so sehr mit hineinziehe.“
„Warum nicht, Andrea. Ich bin immer für dich da. Per sempre.“
Jetzt drehte er sich um und nahm ihren Kopf zwischen seine Hände. „Und dafür bin ich dir sehr dankbar. Aber es ist bei diesen Verbrechen nichts wie sonst. Wir haben noch keine Vorstellung davon, was sich hinter diesen Morden verbirgt.“ Manzetti machte eine kurze Pause und wandte seinen Blick wieder zu dem Birkenwäldchen. „Es kann alles sein. Organisierte Kinderschänderszene, illegaler Elfenbeinhandel, Drogengeschäfte oder auch etwas ganz anderes. Ich glaube allerdings, dass wir uns auf
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