Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Augenbraue und fragte: „Möchten Sie ablegen und noch mehr Karten ziehen?“
„Ja“, antwortete sie. „Ich hätte gern noch ein As zu denen, die ich schon habe.“
„Es gibt leider nur vier“, erklärte er mit solchem nachsichtigen Ernst, daß Elizabeth vor Lachen buchstäblich aus dem Sessel glitt. „Sie sind ein absoluter Scharlatan!“ brachte sie heraus, als sie wieder sprechen konnte, und strahlte ihn voller Bewunderung an.
„Vielen Dank, Liebling“, erwiderte er sanft. „Es macht mich sehr glücklich, daß sich Ihre Meinung von mir ganz langsam bessert.“
Elizabeth lachte nicht mehr. Statt dessen war es ihr, als würde sie von einer Hitzewelle durchflutet. Gentlemen verwendeten solche zärtlichen Kosenamen nicht vor anderen Menschen, wenn sie ihn überhaupt verwendeten. „Ich bin ein Schotte“, hatte Ian ihr vor langer Zeit einmal erklärt. „Schotten tun das.“
Alexa und Matthew hatten nach kurzem, verblüfftem Schweigen rasch eine unbeschwerte Unterhaltung miteinander angefangen, und das war auch gut so, denn Elizabeth konnte den Blick nicht von Ian wenden. Nicht einmal bewegen konnte sie sich, und dabei hätte sie sich in diesem Moment am liebsten in seine Arme geworfen. Er sah ihr das an, und sein Blick ließ sie auf der Stelle dahinschmelzen.
Einen Moment später brach Matthew den Bann. „Ian, mir scheint, wir verschwenden nur unsere Zeit, wenn wir uns um ehrliche Geschäfte bemühen.“
Widerstrebend riß Ian den Blick von Elizabeth los und lächelte zu Matthew hinüber. „Wie meinst du das?“ Er schob den Kartenpack über den Tisch, während Elizabeth ihre zu Unrecht gewonnenen Spielmarken zurückgab.
„Mit deiner Fähigkeit, dir jedes gewünschte Blatt zu geben, könnten wir halb London hereinlegen. Falls irgendein Betrogener die Unverschämtheit besitzen sollte, zu protestieren, könnte Alexa ihn mit ihrem Degen durchbohren, und Elizabeth könnte ihn erschießen, ehe er zu Boden gegangen ist.“
Ian lachte. „Gar keine üble Idee. Und welche Rolle willst du dabei spielen?“
„Er sorgt dafür, daß ihr aus dem Kerker ausbrechen könnt.“ Elizabeth lachte.
„Genau.“
Nachdem Ian eine Weile später zum Greenleaf-Gasthof aufgebrochen war, um dort die Nacht zu verbringen und dann am nächsten Morgen die zehnstündige Heimreise anzutreten, löschte Elizabeth die Kerzen und räumte im Salon auf.
Ein Stockwerk höher, in einem der Gästezimmer, betrachtete Matthew seine versonnen lächelnde Gemahlin. „Was denkst du nun über den Marquess of Kensington?“ fragte er sie.
Sie schaute hoch, und ihre Augen leuchteten. „Ich denke, wenn er nicht noch etwas ganz Fürchterliches anstellt, wäre ich unter Umständen bereit zu glauben, daß er tatsächlich dein Vetter ist.“
„Vielen Dank, Liebling“, sagte Matthew zärtlich und wiederholte damit Ians Worte. „Es macht mich sehr glücklich, daß sich deine Meinung von ihm ganz langsam bessert.“
22. KAPITEL
Elizabeth hätte es nicht leugnen können; sie sehnte sich danach, Ian wiederzusehen, und sie war auch neugierig auf das Anwesen, das er in England bewohnte. Er hatte ihr erzählt, er habe den Landsitz letztes Jahr mit seinem eigenen Geld gekauft, und nach ihrem Besuch in Schottland stellte sie sich Montmayne ähnlich rustikal vor.
Eigentlich hielt sie es für Geldverschwendung, nach der Heirat nicht auf Havenhurst zu leben, das immerhin alle Bequemlichkeiten bot. Andererseits begriff sie durchaus, daß Ians Stolz leiden würde, wenn er in ihrem Haus wohnen müßte.
Sie hatte Lucinda in dem Gasthof zurückgelassen, in dem sie übernachtet hatten, und nach einer Stunde Fahrt bog Aaron von der Straße ab und hielt vor einem massiven Eisentor an. Elizabeth glaubte, er hätte sich entweder in der Adresse geirrt oder wollte sich nach dem Weg erkundigen.
Ein Wächter trat aus dem hübschen Häuschen neben dem Tor, und Elizabeth war gespannt darauf, was Aaron nun zu dem Mann sagen würde.
„Die Countess of Havenhurst“, meldete er dem Torhüter. Dieser nickte, das große Eisenportal öffnete sich geräuschlos, Aaron fuhr hindurch, und die breiten Torflügel schlossen sich wieder ebenso geräuschlos.
Staunend blickte Elizabeth aus dem Wagenfenster. Die scheinbar endlose Zufahrt wand sich durch die gepflegteste Parklandschaft, die Elizabeth je gesehen hatte. Es gab hier sogar einen munter plätschernden Bach mit einer Steinbrücke, über die die Hufe der Kutschpferde jetzt klapperten.
Als das Haus in Sicht kam,
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