Havenhurst - Haus meiner Ahnen
von sich, als könnte er die Berührung mit ihr nicht mehr ertragen. Elizabeth landete auf dem Bett. Noch immer hielt sie ihren offenen Beutel in der Hand, dem sie jetzt alles Geld entnahm. Sie legte die Scheine auf das Bett und zählte sich einige davon für die Mietkusche ab. „Bobbie“, sagte sie leise und sah, wie er bei diesem Namen seiner Kinderzeit zusammenzuckte. „Bobbie, bitte, komm her.“ Robert rang sichtlich mit sich selbst, trat dann aber doch ans Bett.
Elizabeth stand auf. „Hier liegt ein kleines Vermögen. Es gehört dir.“ Sie berührte ihn am Ärmel. „Es ist vorbei, Bobbie. Keine Rachegedanken mehr. Nimm das Geld, und verlasse das Land mit dem ersten Schiff nach Irgendwo.“
Sie sah, daß er unschlüssig auf das Geld starrte. „In sechs Monaten“, fuhr sie fort, „werde ich mehr Geld bei einer Bank deponieren, die du mir nennst. Setze eine Anzeige in die ,Times für Elizabeth ... Duncan, und ich deponiere das Geld im Namen desjenigen, der diese Anzeige gezeichnet hat.“ Robert schien sich nicht bewegen zu können, und Elizabeth hielt ihren Beutel fester. „Bobbie, du mußt nun gehen oder mit mir kommen. Entscheide dich jetzt. Ich habe keine Zeit mehr zu verlieren.“
Robert focht einen inneren Kampf aus. Nach einer endlosen Minute seufzte er. „Du hattest ja schon immer so ein gutes Herz“, sagte er ergeben. Er warf seine wenigen Kleidungsstücke in seine Reisetasche und raffte dann das Geld vom Bett.
Elizabeth versuchte gegen ihre Tränen anzukämpfen. „Vergiß nicht — Elizabeth Duncan.“
Mit der Hand am Türknauf drehte sich Robert zu ihr um. „Das hier ist genug.“ Noch einmal schauten Bruder und Schwester einander an, und beide wußten, daß es das letzte Mal war. „Lebe wohl... Beth“, sagte Robert mit einem kleinen Lächeln.
Erst als Elizabeth ihn draußen rasch am Fenster vorbei und in Richtung Straße gehen sah, sank sie auf das Bett, ließ den Kopf hängen und weinte. Die Tränen tropften auf den Beutel, der Elizabeths Hand bedeckte. Es waren Tränen des Kummers und der Erleichterung, und sie weinte für ihren Bruder.
Denn in ihrem Beutel steckte ihre Pistole, und mit der hatte sie während der ganzen Zeit auf Robert gezielt.
28. KAPITEL
Die Neuntagereise von Helmshead nach London legte Elizabeth in sechseinhalb Tagen zurück, weil sie die Fahrt auch nachts fortsetzte und die Kutscher nur zum Pferdewechsel und für eine gelegentliche Mahlzeit anhalten ließ.
An den Posten redete alle Welt vom Pferdeknecht bis zum Schankmädchen nur von dem Prozeß gegen Ian Thornton, Marquess of Kensington.
Zwei Tage nach Prozeßbeginn um ein Uhr mittags hielt der staubbedeckte Wagen vor dem Londoner Stadthaus der Dowager Duchess of Hawthorne. Elizabeth sprang hinaus, noch bevor die Trittstufen herausgeklappt worden waren. Sie lief die Eingangstreppe hinauf und hämmerte gegen die Tür.
„Was um alles in der Welt...“ Die Herzoginwitwe, die unruhig in der Eingangshalle auf und ab gegangen war, blieb stehen, als sie das Getöse des Messingklopfers hörte. Der Butler öffnete die Tür.
Elizabeth stürmte an ihm vorbei. „Durchlaucht!“ keuchte sie. „Ich...“
„Sie!“ Die Dowager Duchess starrte die staubige, aufgelöste junge Frau eisig an, die ihren Ehegemahl verlassen, viele Sorgen verursacht und einen furchtbaren Skandal ausgelöst hatte und nun, da alles zu spät war, wie ein wildgewordener Staubwedel in die herzogliche Eingangshalle tobte. „Jemand sollte Sie gründlich durchprügeln!“ erklärte die alte Dame aufs höchste erzürnt.
„Zweifellos wird Ian das selbst tun wollen, aber erst später.“ Elizabeth mußte zunächst einmal Luft holen und sich sammeln. „Jetzt ist es erst einmal erforderlich, daß ich nach Westminster und ins House of Lords gelange. Dort wird man mich jedoch nicht hineinlassen, und aus diesem Grund benötige ich Ihre Hilfe.“
„Der Prozeß läuft bereits seit gestern, und zwar nicht gut, wie ich Ihnen versichern darf.“
„Erzählen Sie mir das später!“ befahl Elizabeth in einem Ton, der der Dowager Duchess selbst gut angestanden hätte. „Jetzt überlegen Sie sich, welcher von Ihren einflußreichen Freunden mich hineinbringen kann. Alles andere mache ich dann schon selbst.“
Nachdem der Herzoginwitwe klargeworden war, daß Elizabeth tatsächlich Ians einzige Hoffnung darstellte, kam Leben in sie.
„Faulkner!“ rief sie herrisch, und sofort erschien ihre Kammerzofe. „Führen Sie diese junge Frau nach oben.
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