Havenhurst - Haus meiner Ahnen
vorbehaltene Heiligtum.
Elizabeth, die gar nicht mit ansehen wollte, wie Thornton zum Bettler gemacht wurde, zwang sich zu einem nichtssagenden Gesichtsausdruck und schaute sich die umfangreiche Versammlung im Spielsalon an.
Alle Anwesenden hatten sich um den größten der eichenen Kartentische geschart und verstellten ihr somit den Blick auf die Spieler. Außer diesem Tisch befanden sich noch acht weitere, jetzt aber verlassene Spieltische sowie zwei wunderschöne Billardtische mit großen Kronleuchtern an der Decke darüber in dem Salon.
Lord Howard führte „seine“ Damen zu einer Lücke im Gedränge um den Tisch, die einige Herren soeben freigemacht hatten, und Elizabeth fand sich auf dem Platz wieder, der ihr am wenigsten behagte, nämlich direkt neben Ian Thornton und mit einem ungehinderten Blick auf das, was sehr wahrscheinlich sein finanzieller Untergang war. Soeben hatte eine neue Spielrunde begonnen.
Vier weitere Herren saßen zusammen mit Thornton am Tisch, unter ihnen Lord Everly, dessen jugendliches Gesicht triumphierend leuchtete und damit als einziges irgendwelche Gefühle verriet. Ian Thornton dagegen saß mit nichtssagender Miene und aufgeknöpftem Gehrock lässig auf seinem Stuhl und streckte die langen Beine unter dem Tisch aus. Die anderen drei Herren konzentrierten sich auf ihre Karten und ließen sich ebenfalls nicht ansehen, was sie dachten.
Der Eröffnungseinsatz dieser Spielrunde betrug tausend Pfund. Innerhalb von fünf Minuten erhöhte sich die Spielsumme in der Mitte des Tischs auf fünfundzwanzigtausend. Ein Spieler nach dem anderen „stieg aus“, bis nur noch Lord Everly und Ian übrigblieben und nur noch eine Karte vor der Schlußwette ausgegeben werden mußte. Absolute Stille senkte sich über den Spielsalon.
Lord Everly nahm seine vierte Karte auf, schaute erst sie, dann Ian an, und Elizabeth sah den Triumph in den Augen des jungen Mannes aufleuchten.
„Thornton, diese Karte kostet Sie zehntausend Pfund, falls Sie noch weiter im Spiel bleiben wollen.“
Elizabeth fühlte sich stark genug, den reichen jungen Lord zu erwürgen und gleichzeitig gegen Thorntons Schienbein zu treten, das unter dem Tisch sogar in Reichweite ihres Fußes war, als dieser die Wette annahm und den Einsatz sogar noch um fünftausend Pfund erhöhte.
Sie begriff das einfach nicht. Selbst sie als Laie sah doch Everly überdeutlich an, daß er ein unschlagbares Blatt in der Hand halten mußte! Nein, das ertrug sie nicht länger. Sie wandte sich zum Gehen.
Ihre Bewegung lenkte Ians Aufmerksamkeit für einen kurzen Moment von seinem Gegner ab. Mit seinem Blick hielt er Elizabeth am Tisch zurück, und dabei drehte er für niemanden sonst sichtbar die Karten in seiner Hand ein wenig, so daß sie sie einsehen konnte.
Ian Thornton hatte vier Zehnen.
Aus Angst, man könnte ihr die Erleichterung ansehen, wandte sich Elizabeth so hastig ab, daß sie den hinter ihr stehenden Lord Howard anrannte.
„Ich brauche ein bißchen Luft“, erklärte sie und schlenderte scheinbar gelassen zu einem Gemälde an der hinteren Wand, das sie mit gespielter Faszination betrachtete. Erst jetzt wurde ihr klar, daß Ian Thornton offensichtlich ihre Angst gespürt und ihr deshalb seine günstigen Karten gezeigt hatte. Dabei war er das Risiko eingegangen, daß sie eine dumme Bemerkung dazu machen und ihn so verraten könnte.
„Ihre Wette, Everly“, hörte sie ihn sagen.
Lord Everlys Antwort ließ Elizabeth erzittern. „Fünfundzwanzigtausend Pfund.“
„Seien Sie kein Narr“, sagte der Duke of Hammond. „Das ist selbst für einen Mann wie Sie ein zu hoher Einsatz auf eine einzige Hand.“
Elizabeth war sich jetzt sicher, daß sie ihre Miene unter Kontrolle hatte, und kehrte zum Tisch zurück.
„Ich kann es mir durchaus leisten“, erklärte Everly herablassend. „Die Frage ist nur, ob Sie, Thornton, Ihre Wette einlösen können, wenn Sie verlieren.“
Bei dieser Beleidigung zuckte Elizabeth zusammen, doch Ian lehnte sich nur zurück und betrachtete Everly stumm und ausdruckslos. Nach einer Weile sagte er mit gefährlich leiser Stimme: „Ich kann es mir leisten, die Wette um weitere zehntausend Pfund zu erhöhen.“
„Sie besitzen doch überhaupt keine zehntausend Pfund mehr“, entgegnete Everly gehässig. „Und ich setze mein gutes Geld nicht gegen einen von Ihnen gezeichneten und deshalb wertlosen Schuldschein.“
„Genug!“ rief der Duke of Hammond. „Sie gehen zu weit, Everly. Ich bürge für seine
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