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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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beobachtete, wie der Kutscher Elizabeth beim Einsteigen half. Ein Windstoß fuhr ihr dabei unter den Rock und entblößte für einen Augenblick ein langes, außergewöhnlich schönes Bein, und als der Wagen die kreisförmige Auffahrt entlangrollte, konnte Sir Francis sehen, wie sich Elizabeth drinnen lachend die Haarnadeln aus ihrem Nackenknoten zog. Der Zugwind wehte ihr die dichten goldenen Strähnen ins Gesicht.
    Sir Francis fuhr sich versonnen mit der Zunge über die Lippen.
    ★
    Der Landsitz von John Marchman, Earl of Canford, war ein Ort von absolut naturbelassener Schönheit, so daß Elizabeth vorübergehend den Grund ihres bevorstehenden Aufenthalts hier vergaß. Trauerweiden säumten einen breiten Bach, der durch den Park vor dem weitläufigen Haus strömte. Die sanften Farben der niedrigen Fliederbüsche vermischten sich mit denen der blauen Akelei und der wildwachsenden Lilien.
    Schon bevor die Reisekutsche vor dem Haus zum Halten kam, wurde die Tür aufgerissen, und ein großer, kräftiger Mann sprang die Eingangsstufen herab. Er öffnete den Wagenschlag so heftig, als wollte er ihn aus den Angeln brechen, und steckte seinen Kopf in den Innenraum. Sein Gesicht war gerötet.
    „Das ist wirklich eine lang erwartete Überraschung“, erklärte Lord Marchman und merkte dann, was für einen Unsinn er geredet hatte. „Eine lang erwartete Freude, meine ich. Die Überraschung ist, daß Sie schon hier sind.“
    Seine Unbeholfenheit erregte Elizabeths Mitgefühl, aber solche Gefühle versagte sie sich ebenso wie den Gedanken, daß der Mann eigentlich ganz liebenswürdig wirkte.
    „Ich hoffe, wir bereiten Ihnen dadurch keine übermäßigen Unannehmlichkeiten.“
    „Übermäßige nicht, nein. Das heißt — überhaupt keine.“ Er blickte Elizabeth in die Augen und dachte, er würde darin ertrinken.
    Elizabeth lächelte, stellte „Tante Berta“ vor und folgte dann ihrem überschwenglichen Gastgeber ins Haus. Neben sich hörte sie Bertas Flüstern: „Der ist ja genauso nervös wie ich!“
    Gegen die sonnige Farbenpracht im Freien wirkte das Innere des Hauses recht düster. „Das Haus braucht die Hand einer Frau“, erklärte Lord Marchman hastig, der Elizabeths Gesichtsausdruck richtig deutete. „Ich bin ein alter Junggeselle, genau wie mein Vater.“
    Berta blickte ihn entsetzt an. „Also das ...“ Der Mann hatte praktisch zugegeben, ein Bastard zu sein!
    „Nein, ich meine nicht, daß mein Vater nie verheiratet war“, berichtigte er eilig. „Ich wollte sagen...“ Er zupfte nervös an seinem Halstuch, um es zu lockern. „Ich wollte sagen, daß meine Mutter starb, als ich noch sehr jung war, und mein Vater hat dann nicht wieder geheiratet. Wir beide lebten hier allein zusammen.“
    An der Kreuzung zweier Flure blieb er stehen. „Möchten Sie erst eine Erfrischung zu sich nehmen oder gleich ins Bett gehen?“
    „Das letztere, wenn es Ihnen recht ist.“
    „Gewiß ist es mir recht“, sagte er mit einer ausholenden Armbewegung zur Treppe hin. „Dann wollen wir gehen.“ Berta schnaubte verächtlich. Der Mann war ja nicht besser als Sir Francis Belhaven! „Hören Sie, Mylord, ich habe die Lady mindestens schon fünfzigmal zu Bett gebracht. Dazu benötige ich nicht die Hilfe Ihresgleichen!“
    Lord Marchman erkannte, was Berta denken mußte, und er errötete bis zu den Haarwurzeln. „Nein, nein, ich wollte ihr nur zeigen, wo es lang geht“, sagte er und stöhnte gleich darauf laut. „Zu ihrem Zimmer, meine ich natürlich.“
    Seine Aufrichtigkeit und seine Unbeholfenheit rührten Elizabeth richtig, und wäre die Lage eine andere gewesen, hätte sie alles getan, um ihm die Verlegenheit zu nehmen.
    Als Elizabeth am nächsten Morgen die Augen aufschlug, strömte helles Sonnenlicht ins Schlafzimmer. Bei der Erinnerung an das gestrige Abendessen lächelte sie. Lord Marchman war aufs liebenswürdigste darum bemüht gewesen, sie zu erfreuen und ihr ein guter Gastgeber zu sein.
    Berta kam ins Zimmer.
    „Weißt du, wie spät es ist?“ fragte Elizabeth. „Lord Marchman wollte, daß ich ihn heute morgen um sieben zum Fischen begleite.“
    „Es ist halb elf. Bis vor ein paar Minuten hat er gewartet, und dann ist er gegangen. Er hat zwei Angelruten mitgenommen. Er meinte, Sie könnten ihm folgen, wenn Sie wollten.“ „Gut. In diesem Fall werde ich den rosa Musselin tragen“, entschied Elizabeth mit schalkhaftem Lächeln.
    Lord John Marchman, Earl of Canvord, traute seinen Augen nicht, als er ein wenig

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