Havenhurst - Haus meiner Ahnen
schickten ein halbes Dutzend junger Herren fort, die Sie zu einem rauschenden Ball begleiten wollten, und wir machten statt dessen einen zweiten Parkspaziergang. Möchten Sie auch wissen, worüber wir uns diesmal unterhielten?“
Elizabeth wich seinem Blick aus. „Nein, lieber nicht.“
Er lachte leise, ignorierte aber ihre Antwort. „Sie gestanden, daß Sie genug hätten von dem ganzen gesellschaftlichen Wirbel und sich aufs Land zurücksehnten.“
„Und dann haben wir uns wieder über das Fischen unterhalten?“
„Nein, über die Wildschweinjagd. Sie erzählten mir, daß Sie als kleines Mädchen auf einen Baum geklettert waren, um der Jagd unerlaubterweise zuzuschauen, und daß der Eber dann zufällig genau unter diesem Baum zur Strecke gebracht wurde. Sie haben einen lauten Freudenschrei ausgestoßen, der Ihre Anwesenheit verraten und Ihnen anschließend eine gehörige Bestrafung durch Ihren Vater eingetragen hat.“
Elizabeth schaute Lord Marchman verstohlen an und sah das amüsierte Funkeln in seinem Blick. Plötzlich lachten sie alle beide.
„An Ihr Lachen erinnere ich mich auch“, sagte er noch immer lächelnd. „Für mich war es die schönste Musik der Welt, und in Ihrer Gesellschaft habe ich mich so ... so wohl gefühlt.“ Er errötete, zupfte an seinem Halstuch und schaute verlegen zur Seite.
„Ja, jetzt erinnere ich mich auch“, sagte Elizabeth leise. „Ich hatte das alles nur bis vor einem Moment vergessen“, fügte sie aufrichtig hinzu.
„Wenn ich doch einen so schwachen Eindruck auf Sie gemacht habe, weshalb sind Sie dann jetzt auf meinen Heiratsantrag zurückgekommen?“
Der Mann war so freundlich und keineswegs so unbeholfen, wie er zuerst gewirkt hatte, daß Elizabeth fand, er verdiente eine ehrliche Antwort. Ohne Umschweife berichtete sie ihm also von dem Vorgehen ihres Onkels.
„Es wundert mich, daß Ihr Onkel mich in Betracht gezogen hat. Ich hätte erwartet, er würde einen Jüngeren für Sie aussuchen. Wen hat er sonst noch auserwählt?“
Elizabeth biß sich auf die Lippe und senkte den Blick. An ihrem Gesichtsausdruck erkannte Lord Marchman, daß ihr seine Frage äußerst peinlich war.
„Der Mann muß für Sie noch weniger geeignet sein als ich“, bemerkte er scharfsinnig. „Soll ich einmal raten? Oder soll ich gestehen, daß ich Ihre Tante und Ihren Kutscher über irgend etwas habe lachen hören, das sich im Haus von Sir Francis Belhaven abgespielt hatte? Ist Belhaven der andere Mann?“ fragte er leise, und Elizabeths Erbleichen war ihm Antwort genug.
„Großer Gott!“ rief er entsetzt aus. „Allein die Vorstellung, ein so junges, unschuldiges Wesen wie Sie an diesen widerlichen alten...“
„Ich habe Belhaven von seiner Absicht abgebracht“, versicherte Elizabeth. Daß Marchman sich ihretwegen so erzürnte, rührte sie.
„Ganz bestimmt?“ fragte er.
„Ich glaube schon.“
Er schwieg einen Moment, betrachtete sie aufmerksam und lächelte dann kaum merklich. „Täusche ich mich sehr, wenn ich annehme, daß Sie bei Belhaven eine ähnliche Taktik angewendet haben wie bei mir?“
„Ich ... ich weiß nicht, was Sie meinen.“
„Nun, nachdem Sie vor zwei Jahren Ihr Interesse und Ihre Freude am Fischen so begeistert dargestellt haben, kann ich nur annehmen, daß Ihr heute zur Schau gestelltes Entsetzen ... nun, sagen wir, nicht ganz so überwältigend war, wie Sie es mich hatten glauben machen wollen.“
Er lächelte auf eine Weise, daß Elizabeth kaum noch ernst bleiben konnte. „Ja, möglicherweise war es nicht ganz so überwältigend, Mylord.“
„Und Sie hätten nicht zufällig Lust, sich selbst einmal an diesem Barsch zu versuchen, den Sie mich heute morgen gekostet haben? Der Kerl schwimmt schließlich immer noch herum und macht sich über mich lustig.“
Jetzt mußte Elizabeth doch lachen, und John Marchman, der Earl of Canford, fiel in das Gelächter ein. Sie hatte das Gefühl, einem wirklichen Freund gegenüberzusitzen, aber sie wollte nicht, daß er möglicherweise seine Meinung zum Thema Verlobung doch noch änderte.
„In Anbetracht aller Umstände“, sagte sie sehr langsam, „halte ich es für das beste, wenn meine Tante und ich morgen zu unserem letzten ... Reiseziel weiterfahren.“
★
Als Lord Marchman ihr am nächsten Morgen im hellen Sonnenschein in die Reisekutsche half, hatte Elizabeth ihr Dilemma noch nicht gelöst. Einerseits wollte und konnte sie nicht noch länger hierbleiben, aber andererseits behagte es ihr ganz und
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