Havenhurst - Haus meiner Ahnen
Elizabeth folgte der Aufforderung.
„Sie wollten mich...“ begann sie bei ihrem Eintritt in das Zimmer, unterbrach sich aber sofort, als etwas ihr Haar streifte. Sie wandte den Kopf und starrte direkt in das aufgerissene Maul eines Eberkopfes. Diesmal war ihr spitzer Aufschrei durchaus echt.
„Das Tier ist bereits tot“, sagte Lord Marchman. „Es beißt nicht mehr.“
Elizabeth hatte sich von ihrem Schreck längst erholt und hätte jetzt am liebsten gefragt, wie der Lord den Eber aufgespürt und schließlich erlegt hatte, aber das paßte ja leider nicht zu ihrer Rolle. Also blickte sie ihn vorwurfsvoll an und zeigte auf die Jagdtrophäen an der Wand.
„Bitte, Mylord, sagen Sie mir, daß dieser Eber und die anderen armen Tiere nicht durch Ihre Hand ums Leben gekommen sind!“
„Durch meine Hand weniger, vielmehr durch mein Gewehr.“ Mit dem Kopf deutete er auf einen weichen Ohrensessel vor seinem Schreibtisch. „Setzen Sie sich, und erzählen Sie mir bitte, wie Sie sich unser gemeinsames Leben vorstellen, falls wir heiraten sollten.“
Das tat Elizabeth ausführlich. Sie ließ keinen Zweifel daran, daß sie in der großen Stadt London wohnen wollte und sich die Zeit mit Bällen, Theaterbesuchen, dem Einkauf kostbarer Kleidung und vielen Besuchen bei Freundinnen und Bekannten zu vertreiben gedachte.
John wurde immer nachdenklicher, und Elizabeth sah seinem Gesicht an, daß er seinen Mut zusammenraffte, um eine Rede zu halten.
„Miss Cameron ... äh, Lady Elizabeth“, begann er, stockte und suchte nach Worten. „Ich bin ein Mensch von einfachem Landadel. Ich strebe nicht danach, die Saison in London zu verbringen und Eindruck auf die übrige adlige Gesellschaft zu machen. Deshalb halte ich mich nur so selten wie möglich dort auf. Ich kann sehen, daß Sie das enttäuscht.“
Elizabeth nickte scheinbar betrübt.
„Ich befürchte deshalb sehr... daß wir... äh ... nicht zueinander passen, Lady ... äh ...“
„Elizabeth“, half sie freundlich nach.
„Äh, ja. Natürlich. Was ich sagen wollte, war ...“
„Daß wir füreinander nicht geeignet sind.“
„Genau!“ Er mißverstand Elizabeths letzten Satz als ihre eigene Meinungsäußerung, und das erleichterte ihn ungemein. Er nickte. „Ich bin sehr froh, daß wir derselben Ansicht sind.“
„Natürlich bedauere ich das sehr, und mein Onkel wird auch außerordentlich enttäuscht sein.“ Am liebsten wäre sie aufgesprungen und hätte Lord Marchman die Feder in die Hand gedrückt. „Würden Sie ihm bitte eine Note schreiben und ihm Ihre Entscheidung mitteilen?“
„Unsere Entscheidung“, korrigierte er höflich.
„Ja, gewiß, aber wenn Sie es so formulieren, wird mein Onkel sehr böse auf mich sein, und ...“
„Verstehe.“ John betrachtete sie konzentriert, spitzte dann einen Federkiel zu und schrieb. Ihm entging nicht, daß Elizabeth erleichtert seufzte. „Nachdem diese unangenehme Angelegenheit nun erledigt ist“, sagte er und faltete den fertigen Brief zusammen, „darf ich Sie bitte etwas fragen?“ Elizabeth nickte glücklich.
„Habe ich während unserer kurzen Treffen vor zwei Jahren irgend etwas geäußert, das Sie zu der irrigen Ansicht verleitet hat, ich strebe nach dem Stadtleben?“
„Das ist schwer zu sagen“, antwortete Elizabeth vollkommen aufrichtig.
„Lady Elizabeth, erinnern Sie sich überhaupt noch an unser Zusammentreffen?“
„Aber ja, selbstverständlich.“ Elizabeth entsann sich schwach eines Mannes, der Lord Marchman ähnlich gesehen hatte, und der war ihr von Lady Markham vorgestellt worden. „Wir haben uns auf Lady Markhams Ball kennengelernt.“ Er wandte den Blick nicht von ihrem Gesicht. „Wir haben uns im Park kennengelernt. Sie waren bewundernd vor einem Blumenbeet stehengeblieben, und ihr junger Begleiter stellte uns einander vor.“
Verlegen schaute sie zur Seite.
„Und möchten Sie wissen, worüber wir uns anschließend unterhalten haben?“
Ihr Interesse besiegte ihre Verlegenheit. „Ja.“
„Über das Fischen. Es wurde ein recht anregendes Gespräch. Sie berichteten mir begeistert von einer ganz besonders geschickten Forelle, die Sie einmal hatten fangen können. Wir vergaßen die Zeit und Ihren bedauernswerten Begleiter und tauschten Anglererlebnisse aus.“
Elizabeth war inzwischen vor Verlegenheit dunkelrot geworden.
„Am nächsten Tag hatte ich eigentlich abreisen wollen; ich blieb aber, um Ihnen meine Aufwartung zu machen“, fuhr John Marchman fort. „Und Sie
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