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Havenhurst - Haus meiner Ahnen

Titel: Havenhurst - Haus meiner Ahnen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith McNaught
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Vikar starrte noch eine ganze Weile versonnen auf die Tür, durch die Ian eben verschwunden war. Dann schaute er Elizabeth an, und ein sehr eigenartiges Lächeln zog über sein Gesicht.
    „Stimmt etwas nicht?“ fragte sie unsicher.
    Duncans Lächeln wurde noch strahlender. „Das kann man wohl sagen“, antwortete er sichtbar entzückt. „Und das erleichtert mich ungemein.“
    Elizabeth fragte sich, ob vielleicht ein winziger Hang zum Wahnsinn in dieser Familie lag, und nur ihre gute Erziehung hielt sie von einer entsprechenden Bemerkung ab.
    Statt dessen stand sie auf und wusch das Geschirr ab. Anschließend schrubbte sie trotz Duncans Protests den Fußboden und säuberte das Mobiliar. Sie unterbrach die Arbeit nur für einen kleinen Mittagsimbiß mit dem Vikar und hatte dann am frühen Nachmittag alles geschafft. Mit dem Gefühl, etwas Großes vollbracht zu haben, bewunderte sie das Ergebnis ihrer fleißigen Bemühungen.
    „Sie haben hier Wunder gewirkt“, erklärte der Vikar. „Nun bestehe ich darauf, daß Sie das genießen, was von diesem schönen Tag noch übriggeblieben ist.“
    ★
    Draußen war es wirklich schön. Der Himmel war blau und die Luft war klar und mild. Elizabeth trat vors Haus und betrachtete das Panorama. In Ians Abwesenheit schien ihr alles so merkwürdig leblos zu sein.
    Sie schaute in die Ferne und sah sein männlich schönes Gesicht mit den bernsteinfarbenen Augen vor sich. Sie konnte seine sanfte, tiefe Stimme hören und fühlen, wie er sie, Elizabeth, gestern zärtlich umarmt hatte. Wie wäre es wohl, mit ihm verheiratet zu sein? Wie wäre es, neben ihm vor dem Kamin zu sitzen, miteinander zu reden und zu träumen?
    Sofort schalt sie sich wegen solcher irrsinniger Gedanken. Sie brauchte etwas, womit sie ihren Geist anderweitig beschäftigen konnte. Sie schaute einmal ergebnislos in die Runde, dann zu einem in unmittelbarer Nähe stehenden uralten und weit ausladenden Baum hinüber, und jetzt sah sie es.
    Dort oben, von den dicken Ästen des alten Baums fast vollkommen verdeckt, befand sich ein großes Baumhaus. Begeistert rief sie nach dem Vikar, der nun ebenfalls aus dem Haus trat.
    „Es ist ein Baumhaus“, erklärte sie für den Fall, daß er es nicht schon wußte. „Meinen Sie, ich darf es mir einmal ansehen? Die Aussicht von da oben muß atemberaubend sein.“
    Der Vikar ging zu dem Baum hinüber und betrachtete die unregelmäßigen „Stufen“, die nichts weiter waren als an den Stamm genagelte alte Latten. „Diese Bretter sehen mir doch reichlich wacklig aus“, bemerkte er.
    „Machen Sie sich deswegen keine Sorgen“, beruhigte Elizabeth ihn. „Elbert sagte immer, ich sei ein halber Affe.“
    „Wer ist Elbert?“
    „Einer unser Pferdeknechte. Er und zwei unserer Zimmerleute hatten mir daheim auch ein Baumhaus gebaut.“
    Der Vikar blickte in ihr strahlendes Gesicht und brachte es nicht fertig, ihr diese kleine Freude zu versagen. „Es wird schon niemand etwas dagegen haben. Aber versprechen Sie mir, ganz vorsichtig zu sein.“
    „Selbstverständlich. Ich verspreche es.“ Sie streifte ihre Schuhe ab, umkreiste ein paarmal den Baum und verschwand dann hinter dem dicken Stamm, wo es überhaupt keine Stufen gab. Erschrocken sah Duncan das helle Gelb ihrer Röcke aufblitzen und merkte, daß Elizabeth ohne die Hilfe der angenagelten Bretter am Baum hinaufkletterte.
    Sie erreichte den Boden des Baumhauses, beugte sich durch die Türöffnung und zog sich hoch. Drinnen konnte sie aufrecht stehen, also mußte Ian schon als Kind ziemlich groß gewesen sein. Ein alter Tisch, ein wackliger Stuhl und eine große, flache Holzkiste waren die einzigen „Möbelstücke“.
    Elizabeth wischte die dicke Staubschicht vom Kistendeckel, und zum Vorschein kamen die eingeritzten Worte: „Privateigentum von Ian Thornton. Öffnen auf eigene Gefahr!“ Anscheinend war dem kleinen Jungen diese Warnung noch nicht eindringlich genug erschienen, und so hatte er noch einen grauslichen Totenkopf mit gekreuzten Knochen darunter gemalt.
    Mit einem etwas schlechten Gewissen hob sie den Kistendeckel hoch und betrachtete lächelnd den Inhalt. Obenauf lag eine grellgrüne Papageienfeder. Darunter fanden sich drei ganz gewöhnlich aussehende graue Steine, die aber dem kleinen Ian etwas bedeutet haben mußten, denn sie waren peinlich sauber und glattpoliert. Neben den Steinen lagen eine große Seemuschel und mehrere Zeichenstifte. Ganz unten auf dem Kistenboden entdeckte Elizabeth einen Zeichenblock. Sie

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